Cultur ist nur ein dünnes Apfelhäutchen über einem glühenden
Chaos.
Friedrich Nietzsche (10, 9[48]), Nachlass: Fragmente Mai-Juni 1883
Im letzten Grunde ist der Krieg heute ein Sich-gegenseitig-die-Kultur-Ausprügeln.
Max Dauthendey (3, 405), Brief an seine Frau Annie: 28. März 1916
Der Erste, welcher ein Stück Landes umzäunte, sich in den Sinn kommen
ließ zu sagen: dieses ist mein, und einfältige Leute antraf, die
es ihm glaubten, der war der wahre Stifter der bürgerlichen Gesellschaft.
Jean-Jacques Rousseau
Die physischen Geißeln und Drangsale der menschlichen Natur haben die
Gesellschaft notwendig gemacht. Die Gesellschaft hat die Leiden der Natur
noch gesteigert. Die Nachteile der Gesellschaft haben die Regierung notwendig
gemacht, und die Regierung steigert noch die Leiden der Gesellschaft. Das
ist die Geschichte der menschlichen Natur.
Nicolas-Sébastien Roch Chamfort (1, 360), Maximen und Gedanken
Der Mensch haßt von Natur aus notwendig den anderen Menschen und ist
folglich [...] für die Gesellschaft ungeeignet. Und da die Natur niemals
bezwungen werden kann, sehen wir deshalb, daß kein Staat, kein Herrschaftssystem
und keine Regierungsform, keine Gesetzgebung und keine Ordnung, kein Mittel
der Moral, der Politik oder Philosophie, keine Überzeugung, keine Gewalt
[...] jemals bewirken konnten oder bewirken werden, daß die Gesellschaft
sich wunschgemäß entwickelt und daß die wechselseitigen Beziehungen
unter den Menschen nach den Regeln dessen vonstatten gehen, was man soziale
Rechte und Pflichten des Menschen nennt.
Giacomo Leopardi (3, 141), Das Massaker der Illusionen
Die meisten, welche über den Staat geschrieben haben, setzen voraus oder
verlangen wenigstens von uns zu glauben, daß der Mensch von Natur ein
zur Gesellschaft geeignetes Wesen sei, also das, was die Griechen
zôon
politikon nennen. Auf dieser Grundlage errichten sie ihre Lehre von der
bürgerlichen Gesellschaft, als ob zur Erhaltung des Friedens und zur
Regierung des menschlichen Geschlechts nichts weiter nötig wäre,
als daß die Menschen sich einigten, gewisse Verträge und Bedingungen
festzusetzen, die sie selbst dann Gesetze nennen. Dieses Axiom ist jedoch
trotz der weitverbreiteten Geltung sicherlich falsch; es ist ein Irrtum, der
aus einer allzu oberflächlichen Betrachtung der menschlichen Natur herrührt.
Denn untersucht man genauer die Gründe, warum die Menschen zusammenkommen
und sich gegenseitig an ihrer Gesellschaft erfreuen, so findet man leicht,
daß dies nur zufälligerweise, aber nicht naturnotwendig geschieht.
Denn wenn die Menschen einander von Natur, nämlich bloß, weil sie
Menschen sind, liebten, wäre es unerklärlich, weshalb nicht jeder
einen jeden in gleicher Weise liebte, da sie ja alle in gleicher Weise Menschen
sind; oder weshalb der Mensch lieber die Gesellschaft derer aufsucht, die
ihm mehr als den übrigen Ehre und Vorteil erweisen. Der Mensch sucht
von Natur keine Gesellschaft um der Gesellschaft willen, sondern um von ihr
Ehre und Vorteil zu erlangen; dies begehrt er zuerst, das andere aber nur
an zweiter Stelle.
Thomas Hobbes (1, 79f), Grundzüge der Philosophie:
Dritter Teil - Lehre vom Menschen und Bürger
Die Schwäche des Menschen macht ihn gesellig; die Leiden, die uns allen
gemeinsam sind, ziehen uns zum Menschengeschlechte hin. Wir würden demselben
nichts schulden, wenn wir nicht Menschen wären. Jede Anhänglichkeit
ist ein Zeichen der eigenen Unzulänglichkeit. Bedürfte niemand der
anderen, so würde auch niemand daran denken, sich ihnen anzuschließen.
Jean-Jaques Rousseau (2, Bd. 2: 24), Emil oder Über
die Erziehung
Wären die Menschen schon das, was sie sein sollten und werden können
- so würde alle Regierungsformen einerlei sein - die Menschheit würde
überall einerlei regiert, überall nach den ursprünglichen Gesetzen
der Menschheit.
Novalis (3, 72), Politische Aphorismen
Wären daher die Menschen von Natur so angewöhnt, dass sie nur das
wahrhaft Vernünftige verlangten, so brauchte die Gesellschaft keine Gesetze,
sondern es genügte die Unterweisung der Menschen in den moralischen Lehren,
um freiwillig und von selbst das wahrhaft Nützliche zu thun. Allein die
menschliche Natur ist ganz anders beschaffen; denn Alle suchen zwar ihren
Vortheil, aber nicht nach Vorschrift der gesunden Vernunft, sondern sie begehren
in der Regel nur die Dinge im Antrieb von Lüsten und Affekten der Seele,
ohne Rücksicht auf die Zukunft und andere Dinge; und sie entscheiden
sich danach über den Nutzen. Deshalb kann keine Gesellschaft ohne oberste
Gewalt und Macht und folglich nicht ohne Gesetze bestehen, welche die Begierden
der Menschen und die zügellose Hast mässigen und hemmen.
Baruch de Spinoza (1, 80), Theologisch-politische Abhandlung
Ungezählte Gesellschaftsformen sind unter den Menschen aufgekommen, aus
den verschiedensten Ursachen, unter den verschiedensten Umständen. Alle
waren sie schlecht; und alle, die heute bestehen, sind es ebenso sehr. [...]
Ich verstehe unter einer vollkommenen Gesellschaft nichts weiter als eine
Form von Gesellschaft, in welcher die Einzelwesen, die sie bilden, gerade
dank der Gesellschaft einander nicht schaden oder es nur aus Zufall und nicht
aus Notwendigkeit tun; eine Gesellschaft, in der die Einzelnen nicht unabläßig
und unvermeidlich bestrebt sind, einander Böses zu tun.
Giacomo Leopardi (1, 485), Das Gedankenbuch
Die Gesellschaft, das, was man die Welt nennt, ist nur der Kampf tausend kleiner
entgegengesetzter Interessen, ein ewiges Ringen sicher kreuzender, einander
störender, abwecheselnd verletzter und gedemütigter Eitelkeiten,
[...]. Einsam leben, nicht zerrieben werden in diesen jammervollen Zusammenstößen,
in denen man einen Augenblick die Blicke der Welt auf sich zieht, um im nächsten
unterzugehen, das nennt man nichts sein, keine Existenz haben. Arme Menschheit!
Nicolas-Sébastien Roch Chamfort (1, 386), Maximen
und Gedanken
Der Staat, dieses Meisterstück des sich selbst verstehenden, vernünftigen,
aufsummierten Egoismus aller, hat den Schutz der Rechte eines jeden in die
Hände einer Gewalt gegeben, welche, der Macht jedes einzelnen unendlich
überlegen, ihn zwingt, die Rechte alle andern zu achten. Da kann der
grenzenlose Egoismus fast aller, die Bosheit vieler, die Grausamkeit mancher
sich nicht hervortun: der Zwang hat alle gebändigt.
Arthur Schopenhauer (4, Bd. III: 725), Kleinere Schriften
Wie verhält sich dagegen der Mensch ursprünglich gegen den Menschen
selbst? Sollte wohl zwischen ihnen im rohen Naturzustande dasselbe Verhältnis
stattfinden, welches zwischen dem Menschen und der Natur ist? Sollten sie
wohl darauf ausgehen, sich selbst untereinander zu unterjochen, oder, wenn
sie sich dazu nicht Kraft genug zutrauen, einander gegenseitig fliehen? Und
doch finden wir, daß die Menschen sich miteinander vertragen, daß
sie sich gegenseitig unterstützen, daß sie in gesellschaftlicher
Verbindung mit einander stehen. Der Grund dieser Erscheinung muß wohl
in dem Menschen selbst liegen: in dem ursprünglichen Wesen desselben
muß sich ein Prinzip aufzeigen lassen, welches ihn bestimmt, sich gegen
seinesgleichen anders zu betragen, als gegen die Natur.
Johann Gottlieb Fichte, Von der Sprachfähigkeit und
dem Ursprunge der Sprache
>>Finde eine Form des Zusammenschlusses,
die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes
einzelnen Mitgliedes verteidigt und schützt und durch die doch jeder,
indem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht und genauso frei
bleibt wie zuvor.
<< Das ist das grundlegende
Problem, dessen Lösung der Gesellschaftsvertrag darstellt.
Jean-Jacques Rousseau (1, 17), Gesellschaftsvertrag
Es ist also [...] das Gemeinwesen die Sache des Volkes, ein Volk aber nicht
jede Ansammlung von Menschen, sondern die Ansammlung einer Menge, die in Anerkennung
des Rechtes und der Gemeinsamkeit des Nutzens vereinigt ist.
Cicero (1, 131), Vom Gemeinwesen
Laßt das heuchlerische Gerede von den Massen. Die Massen sind roh, stumpf
und ungehobelt, verderblich in ihren Forderungen und ihrem Einfluß und
sollen nicht umschmeichelt, sondern erzogen werden. Ich wünsche ihnen
gar keine Zugeständnisse zu machen, sondern sie zu zähmen, zu drillen,
zu zerteilen, in Stücke zu brechen und aus ihnen Individuen herauszuziehen.
Weg mit dem Hurra der Massen! Wir wollen das schwerwiegende Wort einzelner
Menschen hören, die Stimme ihrer Ehre und ihres Gewissens.
Ralph Waldo Emerson, Considerations by the way
Denn da von Natur aus dies den Lebenwesen gemeinsam ist, daß sie den
Zeugungstrieb haben, so beruht die erste Gesellschaftsbildung in der Ehe selbst,
die nächste in den Kindern, sodann kommt die Gemeinschaft eines Hauses
und die Gemeinschaftlichkeit allen Besitzes. [...] Diese Fortpflanzung und
Nachkommenschaft ist die Keimzelle der Gemeinwesen, Blutsverbindung aber vereint
die Menschen durch Wohlwollen und Liebe.
Cicero (2, 51), Vom pflichtgemäßen Handeln
Der Trieb, unser Geschlecht fortzupflanzen, hat noch eine Menge anderes Zeug
fortgepflanzt.
Georg Christoph Lichtenberg (1, F: 1079), Schriften und
Briefe
Eine Menschenmenge kann sich nur Staat nennen, wenn sie zur gemeinschaftlichen
Verteidigung der Gesamtheit ihres Eigentums verbunden ist.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (2, 14), Begriff des Staates
Ist der Staat das, was er sein soll,
das Auge der allgemeinen Vernunft,
das Ohr und Herz der allgemeinen Billigkeit und Güte, so wird er
jede dieser Stimmen hören und die Tätigkeit der Menschen nach ihren
verschiedenen Neigungen, Empfindbarkeiten, Schwächen und Bedürfnissen
aufwecken und ermuntern.
Johann Gottfried Herder (3, Bd. 1: 124), Briefe zur Beförderung
der Humanität
Die Menschen werden ungleich geboren. Der große Segen der Gesellschaft
besteht darin, diese Ungleichheit soweit wie möglich durch die Beschaffung
von Sicherheit, des erforderlichen Eigentums, der Ausbildung und des Beistands
für einen jeden zu mindern.
Joseph Joubert
Im Staat geht es wie in der Welt: Wer nicht schwimmen kann der ersäuft.
Der Staat ist eine Anstalt zum Schutz nicht zur Versorgung. Helfen sollen
die einzelnen. Was der Staat dem Verhungernden gibt, muß er dem Hungernden
nehmen.
Franz Grillparzer (1, 3714), Sämtliche Werke
Der Staat, so, wie er heute ist, soll sich überhaupt nicht um uns kümmern.
Er soll uns zufrieden lassen, seine Straßen beleuchten, die Gefängnisse
reformieren und, wenn er ein übriges tun will, die Aborte der Deutschen
Reichsbahn in einen menschlichen Zustand versetzen. Das sind seine Kulturaufgaben.
Um den Rest kümmere er sich gar nicht. Es geht ja doch schief.
Kurt Tucholsky (3, 325), Republik wider Willen
Der einzig und allein gerechte und einzig und allein zu rechtfertigende Endzweck
des Staates ist: das größte Glück der größten Zahl.
Jeremy Bentham
Im Ganzen genommen, liegt [...] die Welt im Argen: die Wilden fressen einander
und die Zahmen betrügen einander und Das nennt man den Lauf der Welt.
Was sind denn die Staaten, mit aller ihrer künstlichen, nach außen
und nach innen gerichteten Maschinerie und ihren Gewaltmitteln Anderes, als
Vorkehrungen, der grenzenlosen Ungerechtigkeit der Menschen Schranken zu setzen?
Arthur Schopenhauer (1, 714), Aphorismen zur Lebensweisheit
Der Staat, von schmählicher Geburt, für die meisten Wesen eine fortwährend
fließende Quelle der Mühsal, in häufig wiederkommenden Perioden
die fressende Fackel des Menschengeschlechts - und dennoch ein Klang, bei
dem wir uns vergessen, ein Schlachtruf, der zu zahllosen wahrhaft heroischen
Taten begeistert hat, vielleicht der höchste ehrwürdigste Gegenstand
für die blinde und egoistische Masse, die auch nur in den ungeheuren
Momenten des Staatslebens den befremdlichen Ausdruck von Größe
auf ihrem Gesichte hat!
Friedrich Nietzsche (10, 10[1]), Nachlass: Fragmente Anfang
1871
In der Tat läßt sich die ganze Weisheit der Weltgeschichte in einem
einzigen Satz zusammenfassen: Jeder Staat raubt, so viel er kann. Punktum.
Mit Verdauungspausen und Ohnmachtsanfällen, welche man Frieden nennt.
Carl Spitteler
Die Weltgeschichte ist zu neun Zehnteilen Kriegs- und Eroberungsgeschichte.
Wenn sie einst in demselben Maße Geschichte einer friedlichen Entwickelung
geworden ist, dann mag der Mensch beginnen, von Nächstenliebe zu sprechen,
eher aber nicht!
Karl May (1, -307-), Himmelsgedanken
Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, daß ihn der Mensch
zu seinem Himmel machen wollte.
Friedrich Hölderlin (1, 33), Hyperion oder der Eremit
in Griechenland
Der Himmel hat uns die Erde verdorben.
Johann Gottfried Seume (1, 24), Apokryphen
Ein Staat ist vorhanden auch ohne mein Zutun: ich werde in ihm geboren, erzogen,
auf ihn verpflichtet und muß ihm »huldigen«. Er nimmt mich
auf in seine »Huld«, und ich lebe von seiner »Gnade«.
So begründet das selbständige Bestehen des Staates meine Unselbständigkeit,
seine »Naturwüchsigkeit«, sein Organismus, fordert, daß
meine Natur nicht frei wachse, sondern für ihn zugeschnitten werde. Damit
er naturwüchsig sich entfalten könne, legt er an mich die Schere
der »Kultur«; er gibt mir eine ihm, nicht mir, angemessene Erziehung
und Bildung, und lehrt mich z.B. die Gesetze respektieren, der Verletzung
des Staatseigentums (d.h. Privateigentums) mich enthalten, eine Hoheit, göttliche
und irdische, verehren usw., kurz, er lehrt mich - unsträflich sein,
indem ich meine Eigenheit der »Heiligkeit« (heilig ist alles mögliche,
z.B. Eigentum, Leben der andern usw.) »opfere«. Darin besteht
die Art der Kultur und Bildung, welche mir der Staat zu geben vermag: er erzieht
mich zu einem »brauchbaren Werkzeug«, einem »brauchbaren
Gliede der Gesellschaft«.
Max Stirner (1, 219f), Der Einzige und sein Eigentum
Da man nicht erreichen kann, daß man gewaltsam der Gerechtigkeit gehorchen
muß, hat man erreicht, daß es gerecht ist, der Gewalt zu gehorchen.
Da man der Gerechtigkeit nicht Gewalt verleihen kann, hat man die Gewalt gerechtfertigt,
damit Gerechtigkeit und Gewalt vereint sind und Frieden herrscht, der das
höchste Gut ist.
Blaise Pascal (1, Pensèe 81), Gedanken
Das Recht an sich selbst ist machtlos: von Natur herrscht die Gewalt. Diese
nun zum Rechte hinüberzuziehn, so daß mittelst der Gewalt das Recht
herrsche, dies ist das Problem der Staatskunst - und wohl ist es ein schweres.
Arthur Schopenhauer (4, Bd. V: 295), Parerga und Paralipomena
II
Der Mensch, der sich seiner Stellung zum Ganzen der Welt bewußt ist,
begreift auch zugleich das Verhältnis, in welches er sich gerechter Weise
zu seinen Mitmenschen stellen muß, um auch ihnen die Freiheit der Bewegung
zu garantieren. Er begreift, daß Freiheit nur bestehen kann in vernünftiger
Unfreiheit, daß nur die gehorsame Unterwerfung unter das Gesetz frei
zu machen vermag. Diese Einsicht macht uns gerecht, tolerant, neidlos, friedliebend,
sie erhebt uns so hoch über jene düsteren Zeiten, in denen schon
eine Verschiedenheit der metaphysischen Überzeugung genügte, die
wildesten und zerstörendsten Affekte zu entfesseln.
Kurd Laßwitz (1, II), Im Pyramidenhotel
Gesetze, Strafen, Dogmen, Lehren, Bildung, Ermahnungen, Drohungen, Versprechungen,
Jenseits-Hoffnungen und -Befürchtungen, nichts hat genügt, nichts
genügt, nichts wird jemals genügen, um den einzelnen Menschen in
irgendeiner wie auch immer geordneten Gesellschaft dahin zu bringen - daß
er [...] davon absteht, einen Vorteil, den er über andere hat, zu mißbrauchen
[...], davon absteht, mehr als die anderen haben und sie übertrumpfen
zu wollen, kurz, die ganze Gesellschaft so sehr wie möglich auf seinen
Nutzen oder Genuß hinzulenken, was nicht ohne Schaden, nicht ohne Verdruß
der Andern geschehen kann.
Giacomo Leopardi (1, 486), Das Gedankenbuch
Stellt man für ein Volk Regeln auf, so vermehrt man seine innere Kraft
für das Gute wie für das Böse; man ermutigt es, wenn man so
sagen darf, zu großen Verbrechen und großen Tugenden.
Denis Diderot (1, 100), Brief an Sophie Volland, 14./15.
Oktober 1760
Eine Demokratie entsteht, denke ich, alsdann bekanntlich, wenn die Armen nach
gewonnenem Siege einen Teil der anderen Partei ermorden, einen Teil verbannen
und dann die Übriggebliebenen gleichen Anteil an der Staatsverwaltung
und den Staatsämtern nehmen lassen [...].
Platon (2, 309), Der Staat
Nimmt man den Begriff in der ganzen Schärfe seiner Bedeutung, dann hat
es niemals eine echte Demokratie gegeben, und es wird sie niemals geben. Es
geht gegen die natürliche Ordnung, daß die Mehrzahl regiert und
die Minderzahl regiert wird.
Jean-Jacques Rousseau (1, 72), Gesellschaftsvertrag
Das Individuum, als solches, steht seiner Natur nach unter dem
Zufall.
In der vollkommenen Demokratie steh ich unter sehr vielen, in repräsentativer
Demokratie unter Wenigern, in der Monarchie unter Einem willkürlichen
Schicksale.
Novalis (3, 69), Politische Aphorismen
Es gibt ein unfehlbares Rezept, eine Sache gerecht unter zwei Menschen aufzuteilen:
Einer von ihnen darf die Portionen bestimmen, und der andere hat die Wahl.
Gustav Stresemann
Die Menschen [...] müssen wohl die ursprünglich vollkommene Natur
ein wenig verdorben haben; sie sind nicht als Wölfe geboren, sondern
sind erst zu Wölfen geworden; Gott hat ihnen weder vierundzwanzigpfündige
Kanonen noch Bajonette gegeben: sie haben Bajonette und Kanonen erst erfunden,
um sich gegenseitig umzubringen.
Voltaire (1, 13), Candid oder Die Beste der Welten
Wir fressen einander nicht, wir schlachten uns bloß.
Georg Christoph Lichtenberg (1, K: 224), Schriften und
Briefe
Was mich hauptsächlich beherrscht [...], das ist der Ekel, einer Gesellschaft
von Kreaturen anzugehören, die außer den übrigen ihnen von
der Natur auferlegten Funktionen des Futtersuchens, der Fortpflanzung etc.
auch die mit elementarischer Stumpfheit befolgt, sich von Zeit zu Zeit gegenseitig
zu vertilgen.
Theodor Storm (1, 19), Briefe
Der ewige Friede paßt als Aufschrift über Kirchhofspforten; denn
nur die Toten schlagen sich nicht mehr.
Gottfried Wilhelm Leibnitz
Unter friedlichen Umständen fällt der kriegerische Mensch über
sich selber her - in Ermangelung von anderen Feinden.
Friedrich Nietzsche (10, 3[1]), Nachlass: Fragmente Sommer-Herbst
1882
Die Menschheit ist eigentlich eine ungeheure Gesellschaft fahrlässiger
Selbstmörder, denn seit Anbeginn hat noch kein einziger Mensch so lange
gelebt, wie er leben sollte und auch hätte leben können.
Karl May (1, -170-), Himmelsgedanken
In Wirklichkeit hat der Mensch überall auf der Erde die Natur eines Lammes.
Warum also und auf welche Weise wird er so oft zum Wolf und zum Fuchs? Nun,
er kommt weder gut noch böse zur Welt, aber die Erziehung, das gute oder
schlechte Beispiel, die Staatsordnung, in die er hineingesetzt wird, kurz,
die äußeren Umstände und Gelegenheiten bestimmen ihn zur Tugend
oder zum Verbrecher.
Voltaire (2, 126), Philosophisches Wörterbuch
die Natur hat uns nicht schlecht erschaffen; es sind die schlechte Erziehung,
das schlechte Beispiel, die schlechte Gesetzgebung, die uns verderben. [...]
Man müßte entweder für sich allein leben oder sich ständig
von Schlechten umgeben glauben; weder das eine noch das andere behagt mir.
Denis Diderot (1, 135), Brief an Sophie Volland, November
1760
Wenn einer der vier Grundpfeiler der Regierung, die da sind: Religion, Rechtsprechung,
Verwaltung und Finanzwesen, stark erschüttert oder gar geschwächt
worden ist, dann sollte man wahrlich um gutes Wetter beten. [...] Die sicherste
Art, Empörungen zu verhüten - sofern es die Zeitläufe erlauben
-, ist die, ihren Anlass aus dem Wege zu räumen. [...] Der Stoff zu Empörung
ist von zweierlei Art: große Not und großes Mißvergnügen.
Sicher ist, soviel zerrüttete Existenzen, soviel Stimmen für Unruhen.
rancis Bacon (1, 57), Essays
Es kann nicht alles ganz richtig sein in der Welt, weil die Menschen noch
mit Betrügereien regiert werden müssen.
Georg Christoph Lichtenberg (2, 40), Aphorismen
Die Menschen würden nicht lange in Gesellschaft leben, wenn sie nicht
Betrüger und Betrogene zugleich wären.
Herzog von La Rochefoucauld (1, 18), Reflexionen
Es ist oft ein Glück für die Menschheit, daß die größeren
Verbrecher die kleineren in Furcht halten. Wie dabei Vernunft und moralische
Weltregierung bestehen, weiß ich freilich noch nicht zu entziffern.
Johann Gottfried Seume (1, 18), Apokryphen
Wir leben im Zeitalter der Überarbeitung und der Unterbildung; das Zeitalter,
in dem die Menschen so fleißig sind, daß die vollkommen verdummen.
Oscar Wilde (1, 70), Aphorismen
Wo alle an alles das Geld als Maßstab anlegen, wird kaum jemals eine
gerechte und glückliche Politik möglich sein, es sei denn, man will
dort von Gerechtigkeit sprechen, wo gerade das Beste immer den Schlechtesten
zufällt, oder von Glück, wo alles unter ganz wenige verteilt wird
und [...] der Rest aber ein elendes Dasein führt.
Thomas Morus (1, 48), Utopia
Der Staat sollte vorzüglich nur für die Ärmeren sorgen, die
Reichen sorgen leider nur zu sehr für sich selbst.
Johann Gottfried Seume (1, 156), Apokryphen
Die Menschen waren in der Politik stets die einfältigen Opfer von Betrug
und Selbstbetrug, und sie werden es immer sein, solange sie nicht lernen,
hinter allen möglichen moralischen, religiösen, politischen und
sozialen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen, die Interessen dieser
oder jener Klasse zu suchen.
Wladimir Iljitsch Lenin (1, 8), Drei Quellen und drei Bestandteile
des Marxismus
In einer irrsinnigen Welt vernünftig sein zu wollen, ist wiederum ein
Irrsinn für sich.
Voltaire