Weisheiten der Indianer
Was ist Leben? Es leuchtet auf wie ein Glühwürmchen in der Nacht.
Es vergeht wie der Hauch des Büffels im Winter. Es ist wie der kurze
Schatten, der über das Gras huscht und sich im Sonnenuntergang verliert.
Crowfoot
Bevor unsere weißen Brüder kamen, um zivilisierte Menschen aus
uns zu machen, hatten wir keine Gefängnisse. Aus diesem Grund hatten
wir auch keine Verbrecher. Ohne ein Gefängnis kann es keine Verbrecher
geben. Wir hatten weder Schlösser noch Schlüssel, und deshalb gab
es bei uns auch keine Diebe. Wenn jemand so arm war, daß er kein Pferd
besaß, kein Zelt oder keine Decke, so bekam er all dies geschenkt. Wir
waren viel zu unzivilisiert, um großen Wert auf persönlichen Besitz
zu legen. Wir strebten Besitz nur an, um ihn weitergeben zu können. Wir
kannten kein Geld, und daher wurde der Wert eines Menschen nicht nach seinem
Reichtum bemessen. Wir hatten keine schriftlich niedergelegten Gesetze, keine
Rechtsanwälte und Politiker, daher konnten wir einander nicht betrügen.
Es stand wirklich schlecht um uns, bevor die Weißen kamen, und ich kann
es mir nicht erklären, wie wir ohne die grundlegenden Dinge auskommen
konnten, die - wie man uns sagt - für eine zivilisierte Gesellschaft
so notwendig sind.
Lame Deer
Wer die Erde nicht respektiert, zerstört sie, wer nicht alles Leben so
wie das eigene respektiert, wird zum Mörder. Der Mensch glaubt manchmal,
er sei zum Besitzer, zum Herrscher erhoben worden. Das ist ein Irrtum. Er
ist nur ein Teil des Ganzen. Seine Aufgabe ist die eines Hüters, eines
Verwalters, nicht die eines Ausbeuters. Der Mensch hat Verantwortung, nicht
Macht. Wir denken bei jeder Entscheidung an die siebte der kommenden Generationen.
Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen nach uns, die
noch ungeborenen Generationen, eine Welt vorfinden, die nicht schlechter ist
als die unsere - und hoffentlich besser.
Oren Lyons
Ihr verbreitet den Tod, ihr kauft und verkauft Tod, aber ihr verleugnet ihn;
ihr wollt ihm nicht ins Gesicht sehen. Ihr habt den Tod steril gemacht, unter
den Teppich gekehrt, ihn seiner Wüde beraubt. Wir Indianer jedoch denken
noch an den Tod, denken viel über ihn nach. Auch ich tue es. Heute wäre
ein guter Tag zum Sterben - nicht zu heiß, nicht zu kalt -, ein Tag,
an dem etwas von mir zurückbleiben könnte, um noch ein wenig hier
zu verweilen. Ein vollkommener Tag für einen Menschen, der an das Ende
seines Weges kommt. Für einen Menschen, der glücklich ist und viele
Freunde hat.
Lame Deer
Wie die Lehrer sagten, gibt es nur eines, das allen Menschen gleichermaßen
eigen ist - das ist ihre Einsamkeit. Keine zwei Personen auf der Oberfläche
dieser Erde sind sich in irgendetwas gleich, außer in ihrer Einsamkeit.
Das ist die Ursache für unser Wachstum, aber es ist auch die Ursache
für unsere Kriege. Liebe, Hass, Neid und Großzügigkeit sind
alle in unserer Einsamkeit verwurzelt, dem Wunsch, gebraucht und geliebt zu
werden. Der einzige weg, unsere Einsamkeit zu überwinden, ist das Berühren.
Nur auf diesem Wege können wir lernen, ganze Wesen zu sein. Gott ist
eine Gegenwart dieses Ganzen.
Hyemeyohsts Storm
Im Haus des Langen Lebens, dort lebe ich. Im Haus des Glücks, dort lebe
ich. Schöhnheit unter mir, dort lebe ich. Schöhnheit über mir,
dort lebe ich. Schöhnheit rings um mich her, dort lebe ich. Ins Alter
reisend, mit ihm lebe ich. Auf dem guten Pfad bin ich, auf ihm lebe ich.
Gesang der Navajo
Wie lange leben wir auf Erden? Nicht für immer, nur eine kleine Spanne.
Jade zerbricht, Gold wird zerdrückt, Quetzalfedern knicken. Nichts dauert
auf Erden, alles lebt nur einen Hauch lang. Unsere Zeit ist geliehen, im Nu
müssen wir sie hinter uns lassen.
Azteken
Ich sage immer, was ich in meinem Herzen für wahr halte. Darum geht es.
Wenn alle das verstehen könnten, würden sie wissen, wie ich mich
fühle. Wenn andere Menschen sich ihre Kultur bewahren und weiter danach
leben würden, wüssten sie um diese Dinge. Manchmal sagen die Leute,
ich würde wieder Indianer spielen. Oh, das ist traurig. Ich glaube nicht,
daß ich Indianer spielen oder mich wie eine Indianerin aufführen
muß. Ich bin eine. Ich bin so. Ich bin, wer ich bin. Und ich bin stolz.
Mary Leitka Hoh
Steht nicht an meinem Grab und weint, ich bin nicht da, nein ich schlafe nicht.
Ich bin eine der tausend wogenden Wellen des Sees, ich bin das diamantene
Glitzern des Schnees, wenn ihr erwacht in der Stille am Morgen, dann bin ich
für euch verborgen, ich bin ein Vogel im Flug, leise wie ein Luftzug,
ich bin das sanfte Licht der Sterne in der Nacht. Steht nicht an meinem Grab
und weint, ich bin nicht da, nein ich schlafe nicht.
Lakota