Wissen & Wissenschaft

Der moderne Mensch schleppt zuletzt eine ungeheure Menge von unverdaulichen Wissenssteinen mit sich herum, die dann bei Gelegenheit auch ordentlich im Leibe rumpeln, wie es im Märchen heißt. Durch dieses Rumpeln verrät sich die eigenste Eigenschaft dieses modernen Menschen: der merkwürdige Gegensatz eines Inneren, dem kein Äußeres, eines Äußeren, dem kein Inneres entspricht, ein Gegensatz, den die alten Völker nicht kennen. Das Wissen, das im Übermaße ohne Hunger, ja wider das Bedürfniss aufgenommen wird, wirkt jetzt nicht mehr als umgestaltendes, nach außen treibendes Motiv und bleibt in einer gewissen chaotischen Innenwelt verborgen, die jener moderne Mensch mit seltsamem Stolze als die ihm eigentümliche "Innerlichkeit" bezeichnet.
Friedrich Nietzsche (2), Unzeitgemäße Betrachtungen: II, Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben

Ich weiß nicht, wer mich in die Welt gesetzt hat, und auch nicht, was die Welt und ich selbst sind; ich bin schrecklich unwissend in allen Dingen; ich weiß nicht, was mein Körper, meine Sinne, meine Seele und selbst jener Teil meines Ichs sind, der denkt, was ich sage, der über alles und über sich selbst Betrachtungen anstellt und sich nicht mehr als das übrige erkennt.
Blaise Pascal (1, Pensèe 427), Gedanken

Der Mensch, der Diener und Ausleger der Natur, wirkt und weiß so viel, als er von der Ordnung der Natur durch Versuche oder durch Beobachtung bemerkt hat; weiter weiß und vermag er nichts.
Francis Bacon (2, 1.), Aphorismen von der Auslegung der Natur und der Herrschaft des Menschen

Alle Spekulation, vielleicht alles Philosophieren, ist nur ein Denken in Spiralen; wir kommen wohl höher, aber nicht eigentlich weiter. Und dem Zentrum der Welt bleiben wir immer gleich fern.
Arthur Schnitzler (1, Nr. 34), Aphorismen und Betrachtungen

Wenn du das Ende von dem erreichst, was du wissen solltest, stehst du am Anfang dessen, was du fühlen solltest.
Khalil Gibran (1, 59), Sand und Schaum

Wer die Werke der Philosophie gelesen hat und nun glaubt, er kenne die Welt, wäre dem zu vergleichen, der die Abbildungen vieler Münzen besäße und sich darum für reich hielte.
Johann Jakob Mohr

Im allgemeinen sprechen die Leute, welche wenig wissen, viel, während die Leute, welche viel wissen, wenig reden. Es hängt sehr einfach zusammen, daß ein unwissender Mensch alles, was er weiß, für höchst wichtig hält und es vor aller Welt ausposaunt. Allein ein unterrichteter Mann öffnet nicht leicht die Fundgrube seines Wissens; er hätte zu viel zu sagen und weiß nur zu wohl, daß auch nach ihm noch weit mehr zu sagen wäre. So schweigt er denn.
Jean-Jaques Rousseau (2, Bd. 2: 282), Emil oder Über die Erziehung

Was sich die Menschen einbilden, ist gleichgültig. Lediglich die Erkenntnis der Dinge ist von Bedeutung. Sie allein macht unsere Schlußfolgerungen wertvoll.
John Locke (1, 218), Über den menschlichen Verstand

Es stimmt: Wissen ist besser als Unwissenheit, so wie Licht besser ist als Finsternis. Der Wissende sieht, wo er geht; der Unwissende tappt im dunkeln. Aber ich erkannte auch: Beide trifft am Ende das gleiche Schicksal. Wenn es mir also trotz meiner Bildung genauso geht wie dem Ungebildeten, warum bemühe ich mich dann so sehr um Wissen? [...] Der Gebildete muß doch genauso sterben wie der Ungebildete. Und man erinnert sich an den einen nicht länger als an den anderen. Wie bald sind beide vergessen!
Die Bibel (1, 599), Kohelet 2,13-16

Wo du auf Unbegreiflichkeiten stößest, da nimm dir die Mühe, auf den Anfang zurückzugehen, d.h. von vornen anzufangen, deine Fundamentalbegriffe zu prüfen, in ihrer Einseitigkeit zu erkennen oder sie und hiermit deinen ganzen Standpunkt aufzugeben; kannst du das nicht, so sei weingstens so bescheiden, deine Beschränktheit als die deinige zu erkennen, deine Schranken nicht zu den Schranken anderer oder gar der Vernunft selbst zu machen.
Ludwig Feuerbach (2, 245) Geschichte der neuern Philosophie ...

Die Spekulation will uns das Warum des Darum lehren und zeigt uns immer ein neues Warum unseres Darums, das nicht das rechte Darum ist; aber mit alledem wird unser Geist weder weise noch lebendig. Ich prüfe einen Menschen, der sich einer Weisheit rühmt, ob er für seine Nebenmenschen etwas empfindet, oder vielmehr, ob er etwas für sie tut. Ist dies nicht, so besteht seine Weisheit bloß aus schönen, dunklen Worten, und wenn sie auch noch so zierlich zusammengeschnürt wäre.
Christoph Friedrich Nicolai (1, 42), Vertraute Briefe

Die eitle Einbildung, man verstehe alles, kann ja nur daher kommen, daß man nie etwas verstanden hat. Denn wer nur ein einziges Mal das Verständnis einer Sache erlebt hat, wer wirklich geschmeckt hat, wie man zum Wissen gelangt, der weiß auch, daß er von der Unendlichkeit der übrigen Wahrheiten nichts weiß.
Galileo Galilei

Je mehr man schon weiß, je mehr hat man noch zu lernen. Mit dem Wissen nimmt das Nichtwissen in gleichem Grade zu, oder vielmehr das Wissen des Nichtwissens.
Friedrich Schlegel (2, 210), Fragmente

Sein und Wissen ist ein uferloses Meer: Je weiter wir vordringen, um so unermeßlicher dehnt sich aus, was noch vor uns liegt; jeder Triumph des Wissens schließt hundert Bekenntnisse des Nichtwissens in sich.
Isaac Newton

Unwissen ist die einzige Tragödie des Daseins. Es gibt keine andere. Wenn jeder wüsste, was er zu wissen hätte, wäre die Welt erlöst!
Peter Altenberg, Prodomos

Wie unser Forschen erlahmt, in der Unendlichkeit des Großen, so erlahmt es auch in der Unendlichkeit des Kleinen, und zuletzt wissen wir gar nicht, was groß oder klein ist, oder wie es kommt, daß sich gerade der Mensch angemaßt hat, das Maß zu sein und die Dinge zu bestimmen, die er nicht kennt und nicht imstande ist zu fassen.
Peter Rosegger

Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.
Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen

Wir fingen an zu philosophieren aus Übermut und brachten uns dadurch um unsere Unschuld; wir erblickten unsere Nacktheit und philosophieren seitdem aus Not für unsere Erlösung.
Johann Gottlieb Fichte (3, 185), Brief an Friedrich Heinrich Jacobi: 30. August 1795

Philosophie und Religion ist für den Menschen vielleicht nur der Gefrierpunkt gegen den Wahnsinn. Vor der Kälte des Universums zieht sich das Wasser als Haut zusammen, so vor der Kälte des Unbegreiflichen der Geist zur Weisheit, das Herz zum Glauben.
Christian Morgenstern (2), Stufen. Weltbild: Episode, Tagebuch eines Mystikers, 1906

Durch Lernen und Erfahrung habe ich ein ungeheures Wissen erworben. Doch als ich darüber nachdachte, was Wissen eigentlich wert ist und was der Kluge dem Dummen voraushat, erkannte ich: Auch die Bemühung um Wissen ist Jagd nach dem Wind. Wer viel weiß, hat viel Ärger. Je mehr Erfahrung, desto mehr Enttäuschung.
Die Bibel (1, 598), Kohelet 1,16-18

Das was, respektive das, worüber wir etwas wissen, macht gewiß nur einen geringen Teil aus von dem, worüber wir nichts wissen und worüber wir zum größten Teil niemals etwas wissen werden. Aber darum auch das geringe Wissen, das wir uns im Laufe der Jahrhunderte erworben anzuzweifeln, zu verhöhnen oder geradezu aus der Welt zu leugnen, ist gegen jede Vernunft. Leugnet man auch die - meinetwegen relativen - Erkenntnisse, die uns aus dem Gebrauch unserer Sinne und unseres Verstandes erwachsen, so ist es besser, jedes Forschen, ja jede Diskussion ein für alle Mal zu unterlassen.
Arthur Schnitzler (3, 40), Aphorismen

Unser Wissen ist ein Tropfen. Was wir nicht wissen, ist ein Ozean. Wenn ich fähig war, weiter zu sehen als andere, dann deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stand.
Isaac Newton

Täusche mich, wer es vermag! das wird er doch niemals zuwege bringen, daß ich nichts bin, solange ich denke, ich sei etwas; oder daß zu irgendeiner Zeit wahr wäre, daß ich nie gewesen, da ich doch nun wahrhaftig bin.
Rene Descartes (2, 36/37), Meditationen

Wer nichts weiß und nicht weiß, daß er nichts weiß, ist ein Narr. - Scheue ihn.
Wer nichts weiß und weiß, daß er nichts weiß, ist ein Kind. - Lehre ihn.
Wer weiß und nicht weiß, daß er weiß, schläft. - Wecke ihn.
Wer weiß und weiß, daß er weiß, ist ein Weiser. - Folge ihm.
Arabisches Sprichwort

Wenn es sich so verhält; wenn das menschliche Wissen an sich und seiner Natur nach solches Stückwerk ist, wie das wirkliche Wissen so vieler Menschen; wenn ursprünglich eine Menge Fäden in unserem Geiste liegen, die unter sich in keinem Punkte zusammenhängen, noch zusammengehängt werden können: so vermögen wir abermals nicht gegen unsere Natur zu streiten; unser Wissen ist, so weit es sich erstreckt, zwar sicher; aber es ist kein einiges Wissen, sondernes sind viele Wissenschaften. - Unsere Wohnung stünde dann zwar fest, aber es wäre nicht ein einiges zusammenhängendes Gebäude, sondern ein Aggregat von Kammern, aus deren keiner wir in die andere übergehen könnten; es wäre eine Wohnung, in der wir uns immer verirren, und nie einheimisch werden würden. Es wäre kein Licht darin, und wir blieben bei allen unseren Reichtümern arm, weil wir dieselben nie überschlagen, nie als ein Ganzes betrachten, und nie wissen könnten, was wir eigentlich besässen; wir könnten nie einen Teil derselben zur Verbesserung des übrigen anwenden, weil kein Teil sich auf das übrige bezöge. Noch mehr, unser Wissen wäre nie vollendet; wir müssten täglich erwarten, dass eine neue angeborene Wahrheit sich in uns äussere, oder die Erfahrung uns ein neues Einfaches geben würde. Wir müssten immer bereit sein, uns irgendwo ein neues Häuschen anzubauen.
Johann Gottlieb Fichte (1, Bd. 1: 53), Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie

Das Schiff der Menschheit, meint man, hat einen immer stärkeren Tiefgang, je mehr es belastet wird; man glaubt, je tiefer der Mensch denkt, je zarter er fühlt, je höher er sich schätzt, je weiter seine Entfernung von den anderen Tieren wird, - je mehr er als das Genie unter den Tieren erscheint, - um so näher werde er dem wirklichen Wesen der Welt und deren Erkenntniss kommen: dies tut er auch wirklich durch die Wissenschaft, aber er meint dies noch mehr durch seine Religionen und Künste zu tun. Diese sind zwar eine Blüte der Welt, aber durchaus nicht der Wurzel der Welt näher, als der Stengel ist: man kann aus ihnen das Wesen der Dinge gerade gar nicht besser verstehen, obschon dies fast jedermann glaubt.
Friedrich Nietzsche (7, 29.), Menschliches, Allzumenschliches: Erstes Haupstück, Von den ersten und letzten Dingen

[...] all die Entdeckungen, welche sich auf die reine Beobachtung der Tatsachen gründen, bestehen in kaum etwas anderem als im Nachweis, daß wir uns irrten und daß wir mit unserem eigenen, natürlichen oder herangebildeten oder (wie man sagt) angelernten Denken irrige Vorstellungen entworfen, gestaltet, geschaffen haben. Darüber hinaus geht es nicht. Jeder Schritt der modernen Wissenschaft tilgt einen Irrtum; er pflanzt keine Wahrheit.
Giacomo Leopardi (1, 418), Das Gedankenbuch

Man muß aber bedenken, daß nicht alle die Wissenschaft besitzen, die sie zu besitzen behaupten. Wer die Ursachen der Dinge zu ergründen glaubt, indem er nur den Schriften anderer folgt und fremde Meinungen, ohne selbst etwas zu entdecken, abschreibt, taugt gar nichts. Denn etwas Gesagtes zu wiederholen, hat nichts Gutes an sich, sondern im Gegenteil oft das Schlechte, daß es der Wahrheit den Weg verbaut, indem es die Irrtümer der Früheren bekräftigt.
Thomas Hobbes (1, 28), Grundzüge der Philosophie: Zweiter Teil, Lehre vom Menschen

Das Beste an den Wissenschaften ist ihr philosophisches Ingredienz – wie das Leben am organischen Körper. Man dephilosophiere die Wissenschaften – was bleibt übrig – Erde, Luft und Wasser.
Novalis (2, 18), Vermischte Bemerkungen [Blüthenstaub]

Erwägt man die grossen Mühen, den Fleiss und die Fähigkeiten, welche so manche Menschenalter hindurch auf die Pflege und Förderung der Wissenschaften verwendet worden sind, erwägt man, dass trotz alledem der weitaus grössere Teil derselben voll Dunkelheit und Ungewissheit und voll von Streitigkeiten, die nie enden zu sollen scheinen, geblieben ist, und dass selbst diejenigen Wissenschaften, die für gestützt auf die klarsten und zwingendsten Beweise gelten, seltsame Behauptungen enthalten, die dem Verständniss der Menschen völlig unzugänglich sind, und dass, Alles zusammengefasst, nur ein geringer Teil derselben der Menschheit einen wirklichen Nutzen anderer Art gewährt, als den einer unschuldigen Zerstreuung und Ergetzung; erwägt man, sage ich, dies alles, so kann man leicht zur Hoffnungslosigkeit und völligen Verachtung alles Studiums gelangen.
George Berkeley, Abhandlungen über die Principien der menschlichen Erkenntnis

Mit einem Worte: Wissenschaft (kritisch gesucht und methodisch eingeleitet) ist die enge Pforte, die zur Weisheitslehre führt, wenn unter dieser nicht bloß verstanden wird, was man tun, sondern was Lehrern zur Richtschnur dienen soll, um den Weg zur Weisheit, den jedermann gehen soll, gut und kenntlich zu bahnen, und andere vor Irrwegen zu sichern.
Immanuel Kant (1, 253f), Kritik der praktischen Vernunft

Wissenschaft, reine und angewandte, ist ein Gut. Denn sie ist dem Menschen, der von Natur ein Bewunderer alles Neuen, d.h. begierig ist, die Ursachen aller Dinge zu kennen, eine Lust. Daher kommt es, daß die Wissenschaft gleichsam eine Nahrung des Geistes ist und für den Geist dieselbe Bedeutung hat wie die Nahrungsmittel für den Körper; was für den Hungernden die Speise ist, das sind für den wißbegierigen Geist die Erscheinungen. Der Unterschied ist jedoch, daß der Körper von Speisen gesättigt werden kann, während der Geist durch Wissen nie befriedigt wird.
Thomas Hobbes (1, 27), Grundzüge der Philosophie: Zweiter Teil, Lehre vom Menschen

Der Beginn aller Wissenschaften ist das Erstaunen, daß die Dinge sind, wie sie sind.
Aristoteles

Religionen sterben, wenn sie sich als wahr erweisen. Die Wissenschaft ist das Archiv toter Religionen.
Oscar Wilde (1, 51), Aphorismen

Der wahre und vernünftige Zweck der Wissenschaft ist, dem menschlichen Leben Nutzen zu bringen, es mit neuen Erfindungen und Schätzen zu bereichern. [...] Die Wissenschaft soll nicht sein ein Ruhebett für den von Neugierde gequälten Geist oder ein Spaziergang zum Vergnügen oder ein hoher Turm, von dem man verächtlich herabblickt, oder eine Burg und Schanze für Streit und Hader oder eine Werkstatt für die Gewinnsucht und den Wucher, sondern ein reicher Warenbehälter, eine Schatzkammer zur Ehre des Werkmeisters aller Dinge und zum Nutzen der Menschheit.
Ludwig Feuerbach (2, 65f) Geschichte der neuern Philosophie ...

Ohne Wissenschaft zittern wir vor jeder Lufterscheinung, unser Leben ist jedem Raubtier ausgesetzt, eine Giftpflanze kann uns töten - und sobald wir in das Reich des Wissens treten, sobald wir unsre Kenntnisse anwenden, uns zu sichern und zu schützen, gleich ist der erste Schritt zu dem Luxus und mit ihm zu allen Lastern der Sinnlichkeit getan.
Heinrich von Kleist (1, 051), Brief an Wilhelmine von Zenge: 15. August 1801

Unsere Lampen endlich sind weitsichtig geworden, unsere Instrumente reichen über Morgen und Übermorgen, wir entziehen mit den Mitteln der Forschung kommende Jahrhunderte der Zukunft und machen sie zu einer Art noch nicht begonnener Gegenwart. Die Wissenschaft hat sich aufgerollt wie ein weiter, unabsehbarer Weg, die schweren und schmerzhaften Entwicklungen der Menschen, der einzelnen und der Massen, füllen die nächsten Jahrtausende als eine unendliche Aufgabe und Arbeit aus.
Rainer Maria Rilke (2), Kunstwerke

Wissenschaft und Tapferkeit bauen die Größe auf. Sie machen unsterblich; weil sie es sind. Jeder ist so viel, als er weiß, und der Weise vermag alles. Ein Mensch ohne Kenntnisse; eine Welt im Finstern. Einsicht und Kraft; Augen und Hände. Ohne Mut ist das Wissen unfruchtbar.
Balthasar Gracián (1, Nr. 4), Handorakel und Kunst der Weltklugheit

Die Wissenschaften haben zwei Extreme, die einander berühren, das erste ist die reine Unwissenheit, in der sich alle Menschen bei der Geburt befinden, das andere Extrem ist jenes, zu dem die großen Geister gelangen, nachdem sie alles hinter sich gebracht haben, was die Menschen wissen können, erkennen, daß sie nicht wissen und sich wieder in der gleichen Unwissenheit befinden, von der sie ausgegangen waren; das aber ist eine kluge Unwissenheit, die sich selbst kennt. Diejenigen zwischen den beiden Extremen, die aus der natürlichen Unwissenheit hervorgetreten sind und nicht zu der anderen gelangen konnten, haben eine oberflächliche Kenntnis der ausreichenden Wissenschaft und spielen die Klugen. Diese bringen die Welt in Aufruhr und urteilen über alles schlecht.
Blaise Pascal (1, Pensèe 83), Gedanken

Was für eine Art von Menschen schafft die Wissenschaft? [...] Der Sammler hat alle Pflanzen in seinem Herbarium getrocknet, aber er hat dabei an Körpergewicht und Humor verloren. Er hat alle Schlangen und Eidechsen in seine Phiolen gebracht, aber die Wissenschaft hat es mit ihm geradeso gemacht und ihn in eine Flasche gesteckt.
Ralph Waldo Emerson, Beauty

Die heutigen Wissenschaftler haben den Sinn für die Wissenschaft verloren, sie tappen im Dunkeln, so wie Seidenwürmer ihre Kokons spinnen: wer sehen kann, mag hinterher ihr schönes Oval bewundern, aber sie selbst wissen nichts davon.
August Wilhelm Schlegel, Brief an Frau von Stael, 25. Dezember 1811

Die Wissenschaft zu verwünschen, weil ihre Art bisweilen wehe tut, wäre so klug als das Feuer zu verwünschen weil ein Kind oder eine Mücke sich daran verbrannt hat. In der Tat verbrennen sich jetzt nur Mücken und Kinder an der Wissenschaft - ich meine die Schwärmer.
Friedrich Nietzsche (10, 1[77]), Nachlass: Fragmente Anfang 1880

Wer sich zu den Wissenschaften zurückzieht, der entgeht allem Lebensüberdrusse und wird nicht aus Ekel am Tageslicht die Nacht herbeiwünschen.
Seneca (1, 33), Vom glückseligen Leben

Wir besitzen heute genau so weit Wissenschaft, als wir uns entschlossen haben, das Zeugniss der Sinne anzunehmen, - als wir sie noch schärfen, bewaffnen, zu Ende denken lernten. Der Rest ist Missgeburt und Noch-nicht-Wissenschaft: will sagen Metaphysik, Theologie, Psychologie, Erkenntnisstheorie. Oder Formal-Wissenschaft, Zeichenlehre: wie die Logik und jene angewandte Logik, die Mathematik. In ihnen kommt die Wirklichkeit gar nicht vor, nicht einmal als Problem; ebensowenig als die Frage, welchen Wert überhaupt eine solche Zeichen-Konvention, wie die Logik ist, hat.
Friedrich Nietzsche (1, 3.), Götzendämmerung: Die "Vernunft" in der Philosophie