Es ist schwer zu definieren, was Liebe ist. Nur dies weiß man von ihr:
In der Seele ist sie eine Leidenschaft, die herrschen will; im Geist Sympathie;
im Körper nur der heimliche Drang, nach allem Versteckspiel ans Ziel
seiner Wünsche zu gelangen.
Herzog von La Rochefoucauld (1, 16), Reflexionen
Was ist alles, was in Jahrtausenden die Menschen taten und dachten, gegen
Einen Augenblick der Liebe? Es ist aber auch das Gelungenste, Göttlichschönste
in der Natur! dahin führen alle Stufen auf der Schwelle des Lebens. Daher
kommen wir, dahin gehn wir.
Friedrich Hölderlin (1, 57), Hyperion oder der Eremit
in Griechenland
Aber die Liebe war in ihren Herzen, und war auch doch wieder nicht wirklich
da, ebenso wie sich in einer übersättigten Lösung Kristalle
befinden und doch auch wieder nicht wirklich da sind, nicht eher, als bis
sich der entsprechende Stoff, und wenn es auch nur ein Fäserchen desselben
wäre, in die Flüssigkeit senkt, und sich dann gleichsam wie mit
einem Zauberschlage die schlummernden Atome ausscheiden, so daß sie
einander entgegenfliegen, sich aneinander festsetzen, Glied an Glied nach
unerforschlichen Gesetzen und in einem Nu Kristalle sind - Kristalle!
Jens Peter Jacobsen (1, 241), Niels Lyhne
Fürchte nicht die Liebe, May, fürchte nicht die Liebe, Begleiterin
meines Herzens! Wir müssen uns ihr überlassen - trotz allem, was
sie mit sich bringt an Leiden, an Sehnsucht und Einsamkeit, und trotz allem,
was sie enthält an Verwirrung und Zweifel.
Khalil Gibran (1, 102), Brief an May Ziadeh, 26. Februar
1924
Sollte nicht jede wechselseitige Neigung, wodurch ein der
Zärtlichkeit offenes Herz das andere beglückt, indem es eben dadurch
beglückt wird, Liebe sein? [...] Es gibt Stufen in der Liebe, aber jede
Sprosse gehört zur Leiter, und wer auf einer steht, kann die höchste
erreichen, sobald in ihm dazu Kraft und Sinn liegt. Wohl dem, welcher die
höchste ersteigen kann! Und welches ist die höchste? Sie läßt
sich in der Imagination sehr hoch denken. Aber wo ist sie in der wirklichen
Welt, und wie lange dauert sie?
Christoph Friedrich Nicolai (1, 17), Vertraute Briefe
Die Liebe ist bei den meisten Menschen die erste bewegende Kraft, die ihre
Fähigkeiten entwickelt, und dem trägen, einförmigen Gange des
gewöhnlichen Lebens einen neuen, raschen Schwung gibt. Sie ist überhaupt
das größte und notwendigste Rad in der menschlichen Gesellschaft.
Was ist es anders, als die Liebe, um welche sich das Interesse der ganzen
Welt dreht? Ist sie nicht der eigentliche Mittelpunkt, um welchen alle Wünsche
und Plane der Sterblichen laufen?
Ludwig Tieck (1, 93), Peter Lebrecht
Die Liebe - darüber sind nun alle Gelehrten einig - ist eine der kuragiösesten
Eigenschaften des menschlichen Herzens, die Bastionen von Rang und Stand schmettert
sie mit einem Feuerblicke darnieder, die Welt ist ihr zu eng und die Ewigkeit
zu kurz. Ja, sie ist eigentlich ein Poetenmantel, den jeder Phantast einmal
in der kalten Welt umnimmt, um nach Arkadien auszuwandern.
Joseph von Eichendorff (1, Bd. 2: 642), Aus dem Leben eines
Taugenichts
Die Liebe ist ein Gewitter, sie entlädt sich nicht in einem Blitze, aber
nach und nach in mehreren ihrer elektrischen Materie, und wenn sie sich entladen
hat, dann kommt der kühle Wind und der Himmel des Bewusstseins wird wieder
klar, und blickt staunend dem befruchtenden Regen am Boden und den abziehenden
Wolken am fernen Horizonte nach.
Eduard von Hartmann (1, 200), Philosophie des Unbewussten
Was liebt die Liebe? - Ein Eingefriedigtes. War nicht das Paradies ein eingeschlossener
Ort, ein Garten gegen Osten? - Aber er schließt sich zu dicht um einen,
dieser Ring - man tritt dem Fenster näher, ein stiller See verbirgt sich
demütig in der hohem Umgebung - am Ufer liegt ein Boot. Ein Seufzer aus
vollem Herzen, der Hauch eines unruhigen Gedankens - und es geht vom Ufer
ab, gleitet über den See, von den milden Lüften einer unnennbaren
Sehnsucht leise getrieben; man verschwindet in der geheimnisvollen Einsamkeit
des Waldes, wird von den leichten Wellen des Sees geschaukelt, der von dem
tiefen Dunkel des Waldes träumt. - Man wendet sich nach der andern Seite
hin, da breitet das Meer sich unendlich vor dem Auge aus. - Was liebt die
Liebe? - Unendlichkeit. - Was fürchtet die Liebe? - Eine Grenze.
Søren Kierkegaard (1, 333), Das Tagebuch des Verführers
Liebe ist ein Auszug aus allen Leidenschaften auf einmal.
Jean Paul, Bemerkungen über uns närrische Menschen:
2. Bd. Februar 1793
Wilhelm, was ist unserem Herzen die Welt ohne Liebe! Was eine Zauberlaterne
ist ohne Licht! Kaum bringst du das Lämpchen hinein, so scheinen dir
die buntesten Bilder an deine weiße Wand! Und wenn's nichts wäre
als das, als vorübergehende Phantome, so macht's doch immer unser Glück,
wenn wir wie frische Jungen davor stehen und uns über die Wundererscheinungen
entzücken.
Johann Wolfgang von Goethe (2, 1. Buch), Die Leiden des
jungen Werthers: Am 18. Juli
Ja! eine Sonne ist der Mensch, allsehend, allverklärend, wenn er liebt,
und liebt er nicht, so ist er eine dunkle Wohnung, wo ein rauchend Lämpchen
brennt.
Friedrich Hölderlin (1, 78), Hyperion oder der Eremit
in Griechenland
Wir sind alle hart und äußerlich zueinander, auch wenn wir noch
so sehr aufeinander einzugehen trachten; aber wenn wir getrennt in unsern
Zimmern liegen und nachts der Regen herniederfließt, dann suchen wir
uns im Geiste mit zärtlicher, bereuender Teilnahme, dann drängen
wir uns aneinander wie unwissende und zusammenschauernde Preisgegebne auf
dunklem Meer, dann liebkosen und trösten sich unsere Seelen, die der
erkältende Tag wieder verstocken und verhärten wird, dann lieben
wir wirklich einander mit einer tiefen, schwermütigen, unbezwinglichen
Liebe.
Christian Morgenstern (2), Stufen. Psychologisches, 1906
Er stellte sich die Liebe nicht als eine ewig
flackernde, lodernde Flamme vor, die mit ihrem starken, glühenden Scheine
die ruhigsten Falten des Daseins erhellt und alles phantastisch größer
und ferner erscheinen läßt, als es ist, die Liebe war für
ihn vielmehr eine stille, glühende Kohle, die ihrem weichen Aschenbette
eine gleichmäßige Wärme entsendet und in gedämpftem
Zwielicht das Entferntere verschleiert und das Nahe doppelt nah und doppelt
heimisch macht.
Jens Peter Jacobsen (1, 17), Niels Lyhne
Ich dachte mir, daß ich, so lange ich lebe, und sollte mein Leben bis
an die äußerste Grenze des menschlichen Alters oder darüber
hinaus gehen, mit jedem Tropfen meines Blutes, mit jeder Faser meines Herzens
sie lieben werde, sie möge leben oder tot sein, und daß ich sie
fort und fort durch alle Zeiten in der tiefsten Seele meiner Seele tragen
werde. Es erschien mir als das süßeste Gefühl, sie nicht nur
in diesem Leben, sondern in tausend Leben, die nach tausend Toden folgen mögen,
immer lieben zu können. Wie viel hatte ich in der Welt gesehen, wie viel
hatte mich erfreut, an wie vielem hatte ich Wohlgefallen gehabt: und wie ist
jetzt alles nichts, und wie ist es das höchste Glück, eine reine,
tiefe, schöne menschliche Seele ganz sein eigen nennen zu können,
ganz sein eigen.
Adalbert Stifter (2, Bd. 4: 585), Der Nachsommer
Nein! bereue sie nie, diese Liebkosungen, durch die Du mein dürftiges
Leben schmücktest! Ich kannte sie nicht, diese wonnigen Blumen, dem reinsten
Boden der edelsten Liebe entblüht! Was ich als Dichter geträumt,
musste mir einmal so wundervoll wahr werden; auf den gemeinen Boden meines
irdischen Daseins musste dieser zartbelebende und verklärende Wonnethau
einmal fallen. [...] Nun bin ich geadelt: ich habe den höchsten Ritterschlag
erhalten. An Deinem Herzen, in Deinem Auge, von Deinen Lippen - ward ich der
Welt enthoben. Jeder Zoll an mir ist nun frei und edel. Wie mit heiligem Grauen
vor meiner Herrlichkeit durchschauert mich das Bewusstsein, von Dir in so
ganzer Fülle, so süss zärtlich, und doch so innig keusch geliebt
worden zu sein! - Ach, noch athme ich ihn, den zauberischen Duft dieser Blumen,
die Du mir von Deinem Herzen brächest: das waren nicht Keime des Lebens;
so duften die Wunderblumen des himmlischen Todes, des Lebens der Ewigkeit.
So schmückten sie einst die Leiche des Helden, ehe sie zu göttlicher
Asche gebrannt wurde; in dieses Grab von Flammen und Wohldüften stürzte
sich die Liebende, um ihre Asche mit der des Geliebten zu vereinigen. Nun
waren sie Eines! Ein Element! Nicht zwei lebende Menschen: ein göttlicher
Urstoff der Ewigkeit! - Nein! bereue sie nie! Diese Flammen, sie brannten
leuchtend, rein und hell! [...] Deine Liebkosungen - sie sind die Krone meines
Lebens, die wonnigen Rosen, die mir aus dem Dornenkranze erblühten, mit
dem mein Haupt einzig geschmückt war. Nun bin ich stolz und glücklich!
Kein Wunsch, kein Verlangen! Genuss, höchstes Bewusstsein, Kraft und
Fähigkeit zu Allem, zu jedem Lebenssturme! - Nein! nein! Bereue sie nicht!
Bereue sie nie! -
Richard Wagner (1, 84f), Tagebuch aus Venedig: 1. Januar
1859
Oft bin ich ein wenig erschrocken und fürchte mich,
wenn ich Dich am allermeisten liebe und Dir am allernächsten bin. So
kann Dich niemand lieben, außer mir. [...] Du bist mir alles. Ich kann
nicht denken ohne an Dich zu denken. Es ist ein Wirbel, in den ich mich gern
fallen lasse wie ein großes, schwingendes Netz aus Seide und Sorge...
Hugo Ball (2, 97), Brief an seine Frau Emmy, 17. Januar
1919
Liebste, nimm mich zu Dir, halte mich, laß Dich nicht beirren, die Tage
werfen mich hin und her, bringe Dir zu Bewußtsein, daß du niemals
reine Freude von mir haben wirst, reines Leid dagegen soviel man nur wünschen
kann, und trotzdem - schick mich nicht fort. Mich verbindet nicht nur Liebe
mit Dir, Liebe wäre wenig, Liebe fängt an, Liebe kommt, vergeht
und kommt wieder, aber diese Notwendigkeit, mit der ich ganz und gar in Dein
Wesen eingehakt bin, die bleibt. Bleibe auch, Liebste, bleibe!
Franz Kafka (3, 151), Brief an Felice Bauer, 19. Januar
1913
Es ist wirklich ein wunderbares Ding um die Liebe, wie sie den Menschen umwandelt.
Ich kenne mich wirklich selbst nicht mehr. Kaum bin ich jetzt von Dir fort
und denke nun schöne Muße zu fortlaufender Arbeit zu haben, so
ist mir diese schon wieder ganz zerstückt, denn dazwischen tritt gleich
wieder immerfort der Gedanke: Wann werde ich sie wiedersehen? Nur nach diesem
Ziele wird die Zeit berechnet, nur nach ihm streben alle Gedanken sehnend
hin.
Ernst Haeckel (1), Brief an Anna Sethe, 26. September 1858
es ist ordentlich unbegreifflich wie und auf welche Art sich der Gedanke an
ein geliebtes Wesen sich in alles mengt; immer die vorherrschende Farbe ist,
immer der Maasstab zu allem, kurz wie ein in das Lebensgewebe gewirkter Faden
sich mit allen Krümmungen, Freuden und Leiden deßelben vereinigt.
Carl Maria von Weber (1, 138), Brief an Caroline Brandt:
München, 1. Juli 1814
Ich habe in Deinem Umgang mehr Bürgschaft eines ewigen Lebens gefunden,
als in allem Forschen und Betrachten der Welt. Wenn ich in einer glücklichen
Stunde glaubte, jetzt sei das Höchste der Liebe erreicht und die Zeit
zum Sterben gekommen, weil ja doch nichts mehr Schöneres nachfolgen könne:
so war es jedesmal eine Täuschung, und es folgte eine noch schönere
Stunde, da ich Dich noch höher liebte. Diese immer neuen, immer tieferen
Abgründe des Lebens verbürgen mir meine Ewigkeit. Ich habe heut
in Deinem schönen Auge die ganze Fülle des Göttlichen erblickt.
Ich war glücklich wie nie zuvor. Recht deutlich ward mir heute wieder,
daß im Schwellen und Sinken des Auges die Seele atmet. In einem so schönen
Auge wie das Deinige zeigt sich uns der Stoff, aus welchem einst unser ewiger
Leib gemacht sein wird, wie in einer prophetischen Hieroglyphe.
Nikolaus Lenau (1, 43f), Brief an Sophie von Löwenthal:
22. Oktober 1836
Ein sonderbares Ding um die Liebe. Man liegt ein Jahr lang schlafwachend zu
Bette, und an einem schönen Morgen wacht man auf, trinkt ein Glas Wasser,
zieht seine Kleider an und fährt sich mit der Hand über die Stirn
und besinnt sich und besinnt sich. - Mein Gott, wieviel Weiber hat man nötig,
um die Skala der Liebe auf und ab zu singen? Kaum daß Eine einen Ton
ausfüllt. Warum ist der Dunst über unsrer Erde ein Prisma, das den
weißen Glutstrahl der Liebe in einen Regenbogen bricht?
Georg Büchner (1, 37f), Leonce und Lena: 1. Akt, 3.
Szene (Leonce)
Zweierlei Arten von Liebe gibt es. Die eine bemächtigt sich irgend eines
einzelnen Wesens, das in die Lücke des Herzens ganz oder teilweise hineinpaßt,
umspinnt und umschlingt es und läßt es nicht wieder los. Dies Lieben
ist eigentlich ein Selbstheilen. Die andere wagt sich in den Kampf mit der
ganzen Welt.
Friedrich Hebbel (1, [2051]), Tagebücher 1835-1843
Geliebtsein heißt aufbrennen. Lieben ist: Leuchten mit unerschöpflichem
Öle. Geliebtwerden ist vergehen, Lieben ist dauern.
Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids
Brigge: Kap. 70
Ich möchte wohl wissen, ob in der Liebe zu einem Menschen nicht eine
unendliche Progression ist? - ich meine, meine Neigung zu Dir trägt schon
alle Früchte des Himmels und der Erde. [...] Kurios ist es, aber ich
muß in diesem Augenblicke denken und fühlen, und es ist mir, als
wär's wahrhaftig so, nämlich: als wäre meine Brust ein Badezuber
und Deine Füße stünden badend und plätschernd in meinem
Herzen, und Du sagst: endlich krieg ich warme Füße.
Clemens Brentano, Brief an Luise Hensel, 1816
Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse.
Friedrich Nietzsche (3, 153.), Jenseits von Gut und Böse:
Viertes Hauptstück, Sprüche und Zwischenspiele
In der Liebe ist alles wahr, alles falsch. Sie ist das einzige Ding, über
das man nichts Absurdes sagen kann.
Nicolas-Sébastien Roch Chamfort (1, 421), Maximen
und Gedanken
Die Liebe hat nicht nur Rechte, sie hat auch immer recht.
Marie von Ebner-Eschenbach (1, 8), Aphorismen
Es ist wahr: wir lieben das Leben, nicht, weil wir ans Leben, sondern weil
wir ans Lieben gewöhnt sind. Es ist immer etwas Wahnsinn in der Liebe.
Es ist aber immer auch etwas Vernunft im Wahnsinn.
Friedrich Nietzsche (6), Also sprach Zarathustra: Die Reden
Zarathustras, Vom Lesen und Schreiben
Nein, nein, wenn man mir die Wahl stellte, wahnsinnig zu werden, und ich in
den Visionen dieses Wahnsinnes Sie besitzen könnte, Sie besitzen, dann
würde ich sagen: Hier habt ihr mein Gehirn, greift mit schonungsloser
Hand hinein in sein wundervolles Gebäude und zerreißt alle die
feinen Fasern, mit denen mein Selbst an den strahlenden Triumphwagen des Menschengeistes
geknüpft ist, laßt mich zurücksinken in den Kot der Materie,
unter die Räder des Wagens, laßt die andern die Pfade ihrer Herrlichkeit
ziehen, entgegen dem Lichte! Verstehen Sie mich? Begreifen Sie, daß
ich Ihre Liebe, selbst wenn sie, ihres Glanzes, der Majestät ihrer Reinheit
beraubt, zu mir käme, besudelt, ein Zerrbild wahrer Liebe, ein krankes
Phantom, daß ich sie selbst dann annehmen würde, demütig kniend,
als wäre sie die heilige Hostie.
Jens Peter Jacobsen (1, 55), Niels Lyhne
Verstehen ist lieben; was wir nicht lieben, das verstehen wir nicht; was wir
nicht verstehen, ist nicht für uns da.
Bettina von Arnim (1, III.), Goethes Briefwechsel mit einem
Kinde
Liebe ist alles, was unser Leben steigert, erweitert, bereichert. Nach allen
Höhen und Tiefen. Die Liebe ist so unproblematisch wie ein Fahrzeug.
Problematisch sind nur die Lenker, die Fahrgäste und die Straße.
Franz Kafka
Mit der wahren Liebe ist es wie mit Gespenstererscheinungen: alle Welt spricht
davon, aber wenige haben sie erlebt.
Herzog von La Rochefoucauld (1, 17), Reflexionen
Du bist nur, wenn Du liebst; Sein ist erst Sein, wenn es Sein der Liebe ist,
aber zugleich geht in der Liebe Dein persönliches Dasein, Dein abgesondertes
Fürdichsein zu Grunde. Du bist nur noch in dem geliebten Gegenstande,
Alles außer ihm, Du selbst ohne ihn bist Dir Nichts. Die Liebe ist die
Quelle aller Freuden, aber auch aller Schmerzen.
Ludwig Feuerbach (3, 216), Gedanken über Tod und Unsterblichkeit
Wahre Liebe macht den Gedanken an den Tod zu etwas Gewöhnlichem, Erträglichem,
des Schreckens Barem, zu einem einfachen Gleichnis oder zu einem Preis, den
man für gewisse Dinge gerne zahlt.
Stendhal (1, 272), Über die Liebe
Auch zu lieben ist gut: denn Liebe ist schwer. Liebhaben von Mensch zu Mensch:
das ist vielleicht das Schwerste, was uns aufgegeben ist, das Äußerste,
die letzte Probe und Prüfung, die Arbeit, für die alle andere Arbeit
nur Vorbereitung ist. Darum können junge Menschen, die Anfänger
in allem sind, die Liebe noch nicht: sie müssen sie lernen. Mit dem ganzen
Wesen, mit allen Kräften, versammelt um ihr einsames, banges, aufwärts
schlagendes Herz, müssen sie lieben lernen.
Rainer Maria Rilke, Brief an Franz Xaver Kappus, 14. Mai
1904
Und woher entstehen solche kleine Abstoßungen als aus der gegenseitigem
Unersättlichkeit im Lieben und Geliebtwerden? Ohne diese Unersättlichkeit
gibt's keine Liebe. Wir leben und lieben bis zur Vernichtung. Und wenn die
Liebe es ist, die uns erst zu wahren vollständigen Menschen macht, das
Leben des Leben ist, so darf auch sie wohl die Widersprüche nicht scheuen,
so wenig wie das Leben und die Menschheit; so wird auch ihr Frieden nur auf
den Streit der Kräfte folgen.
Friedrich Schlegel (1, 85), Lucinde
Was ist denn Liebe anders als verstehen und sich darüber freuen, dass
ein andrer in andrer und entgegengesetzter Weise als wir lebt, wirkt und empfindet?
Damit die Liebe die Gegensätze durch Freude überbrücke, darf
sie dieselben nicht aufheben, nicht leugnen.
Friedrich Nietzsche (9, 75.), Vermischte Meinungen und
Sprüche
Setze den Menschen als Menschen und sein Verhältnis zur Welt als ein
menschliches voraus, so kannst du Liebe nur gegen Liebe austauschen, Vertrauen
nur gegen Vertrauen etc. Wenn du die Kunst genießen willst, mußt
du ein künstlerisch gebildeter Mensch sein; wenn du Einfluß auf
andre Menschen ausüben willst, mußt du ein wirklich anregend und
fördernd auf andere Menschen wirkender Mensch sein. Jedes deiner Verhältnisse
zum Menschen - und zu der Natur - muß eine bestimmte, dem Gegenstand
deines Willens entsprechende Äußrung deines wirklichen individuellen
Lebens sein. Wenn du liebst, ohne Gegenliebe hervorzurufen, d.h., wenn dein
Lieben als Lieben nicht die Gegenliebe produziert, wenn du durch deine Lebensäußrung
als Hebender Mensch dich nicht zum geliebten Menschen machst, so ist deine
Liebe ohnmächtig, ein Unglück.
Karl Marx (1, 567), Ökonomisch-philosophische Manuskripte
aus dem Jahre 1844
Es hat der Natur nun einmal beliebt, zwei so ungleichartige Wesen, als Mann
und Weib es sind, durch den Zauberring der Liebe auf längere oder kürzere
Zeit an einander zu ketten. Zwei Wesen, die von keiner einzigen Sache in der
Welt dieselbe Vorstellung haben, und keinen einzigen Augenblick dasselbe fühlen;
die einander nie verstehen, nie begreifen, nie errathen können, und sich
also unaufhörlich an einander irren müssen, zwei solche Wesen so
zusammenzustimmen, daß sie, indem jedes seine eigene Melodie spielt,
beide ebendasselbe zu hören glauben, was kann wunderbarer sein?
Christoph Martin Wieland (2, XXXVII.), Menander und Glycerion
ist diese unendliche Gleichheit der Gefühle nicht vielleicht eben unser
Unglück? warum bin ich nicht sanft, duldend, ruhig, tragend, oder Du
heiter, froh offen und arglos? So unendlich seelig uns oft diese Uebereinstimmung
machte, so sehr möchte sich mir doch manchmal die Bemerkung aufdrängen,
daß zum heiteren
ruhigen LebensGenuß eine gewiße
Verschiedenheit der Charaktere nöthig ist, die die verschiedenen Leidenschaften
in ein gewißes Gleichgewicht bringt. Freylich werden solche Seelen,
nie sich zu
der Höhe des Gefühls heben können, aber
in höchster Liebe uns umfaßend, vernichten wird[!] uns auch, einander
auflösend, aufreibend.
Carl Maria von Weber (1, 147), Brief an Caroline Brandt:
München, 6. Juli 1815
Verheirate dich, du wirst es bereuen; verheirate dich nicht, du wirst es auch
bereuen. Heirate oder heirate nicht, du wirst beides bereuen. Verlache die
Torheiten der Welt, du wirst es bereuen; beweine sie, beides wirst du bereuen.
Traue einem Mädchen, du wirst es bereuen; traue ihm nicht, du wirst auch
dies bereuen. Fange es an, wie du willst, es wird dich verdrießen. Hänge
dich auf, du wirst es bereuen; hänge dich nicht auf, beides wird dich
gereuen. Dieses, meine Herren, ist der Inbegriff aller Lebensweisheit.
Søren Kierkegaard (1, 40f), Entweder-Oder
Die Liebe hört nie auf. Sie hat keinen Anfang und kein Ende, sowohl in
räumlicher als auch in zeitlicher Beziehung; also kann es außer
ihr nichts anderes geben. Sie erfüllt das Sonnenstäubchen und den
Weltenraum, die kurze Sekunde des irdischen Zeitmaßes und auch die ganze
Ewigkeit. Sie läßt sich nicht einteilen in Eltern, Kindes, Gatten,
Freundes- und allgemeine Menschenliebe. Wer sie so zerstückeln zu können
meint, dem ist sie unbekannt. Unser Erkennen und unser Weissagen ist solches
Stückwerk, vor der Liebe aber, die das Vollkommene ist, hört jedes
Stückwerk auf.
Karl May (2), Am Jenseits/ El Kanz el A'da
Ich habe viele Arten der Liebe kennengelernt: die Künstlerliebe, die
Liebe als Frau, als Schwester, als Mutter, die Liebe zu Gott, die Dichterliebe
und was weiß ich nicht alles. Manch eine Liebe ist noch am gleichen
Tag, an dem sie das Licht der Welt erblickt hatte, gestorben, ohne sich demjenigen
zu offenbaren, der sie erweckt hatte. Manch eine hat mein Leben zur Qual gemacht
und mich in eine Verzweiflung gestürzt, die dem Wahnsinn nahe war. Einer
anderen zuliebe führte ich jahrelang in der Abgeschiedenheit ein völlig
dem Metaphysischen zugewandtes Leben. Mit alledem habe ich es wirklich ernst
gemeint.
George Sand (1, 149), Brief an Albert Grzymala, Ende Mai
1838
Wenn ich mit Engelszungen redete, hätte aber die Liebe nicht, so wär'
ich nur ein tönendes Erz. Und wenn ich die Prophetengabe hätte und
durchschaute alle Geheimnisse und besäße alle Erkenntnis, und wenn
ich allen Glauben hätte, so daß ich Berge versetzte, hätte
aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Die Liebe ist langmütig.
Die Liebe ist gütig. Alles erträgt sie. Alles erhofft sie. Die Liebe
hört niemals auf. Prophetengaben verschwinden, Sprachengaben hören
auf, Erkenntnis vergeht. Für jetzt bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung -
diese drei. Am höchsten aber steht die Liebe.
Version vom Hohelied der Liebe (1. Korinther 13, 1-8) in
Krzysztof Kieslowskis "Drei Farben Blau"
Die Liebe läßt sich durch keinerlei <muß> und keinerlei
<darf nicht> regeln, sondern einzig und allein durch den freien Wettbewerb
mit dem Universum.
Wladimir Majakowski (1, 78), Hören Sie zu!
Liebe ist eine Sache der Empfindung, nicht des Wollens, und ich kann nicht
lieben weil ich will, noch weniger aber weil ich soll (zur Liebe genötigt
werden); mithin ist eine Pflicht zu lieben ein Unding.
Immanuel Kant (2, 343), Die Metaphysik der Sitten
Glaubst du denn, [...] daß man die Liebe an- und ausziehen könne
wie einen Harnisch? Ob ich will - ob ich will - wer liebt, will lieben und
weiter nichts - Liebe ist die große Feder in dieser Maschine; und hast
du je eine so widersinnig künstliche Maschine gesehn, die selbst ein
Rad treibt, um sich zu zerstören, und doch noch eine Maschine bleibet?
Johann Anton Leisewitz (1, 3.Akt), Julius von Tarent
Durch das Gewebe Deiner Tage zieht sich ein Faden, der sie mit dem Überirdischen
verbindet. Nicht durch jedes Dasein schlingt sich ein solcher Faden, und jedes
Dasein zerfällt ohne diesen. Daß Dein Dasein nicht zerfalle, sondern
daß alles ewige Wirklichkeit sei, das ist, wonach ich verlange; [...]
heißt das nicht Dich lieben? Und hat die Liebe nicht die Sehnsucht,
daß Du ewig sein mögest? [...] Ja sieh, das ist mein Tagwerk,
und was ich anders noch beginne es muß alles vor Dir weichen.
Dir im Verborgnen dienen in meinem Denken, in meinem Treiben, Dir leben, mitten
im Gewühl der Menschen oder in der Einsamkeit Dir gleich nahe stehen;
eine heilige Richtung zu Dir haben, ungestört, ob Du mich aufnimmst oder
verleugnest.
Bettina von Arnim (1, III.), Goethes Briefwechsel mit einem
Kinde
Die Liebe ist das Band, das Vermittlungsprinzip zwischen dem Vollkommnen und
Unvollkommnen, dem sündlosen und sündhaften Wesen, dem Allgemeinen
und Individuellen, dem Gesetz und dem Herzen, dem Göttlichen und Menschlichen.
[...] Die Liebe stärket das Schwache und schwächt das Starke, erniedrigt
das Hohe und erhöhet das Niedrige, idealisiert die Materie und materialisiert
den Geist. [...] Lieben heißt vom Geiste aus: den Geist, von der Materie
aus: die Materie aufheben.
Ludwig Feuerbach (5, Bd. 1: 101), Das Wesen des Christentums
Der Liebe geht's wie der Philosophie - sie ist und soll allen alles und jedes
sein. Liebe ist also das Ich - das Ideal jeder Bestrebung.
Novalis, Sophie, oder über die Frauen
Lieben heißt: in dem anderen sich selbst erobern.
Friedrich Hebbel (1, [1876]), Tagebücher 1835-1843
Liebe, die offen tadelt, ist besser als eine, die ängstlich schweigt.
Die Bibel (1, 593), Sprichwörter 27,5
An dem Andern habe ich erst das Bewußtsein der Menschheit; durch ihn
erst erfahre, fühle ich, daß ich Mensch bin; in der Liebe zu ihm
wird mir erst klar, daß er zu mir und ich zu ihm gehöre, daß
wir beide nicht ohne einander sein können, daß nur die Gemeinsamkeit
die Menschheit ausmacht.
Ludwig Feuerbach (5, Bd. 1: 252), Das Wesen des Christentums
Mit geliebten Menschen zusammen sein: mehr braucht es nicht; träumen,
mit ihnen sprechen, nicht sprechen, an sie denken, an die gleichgültigsten
Dinge denken, aber in ihrer Nähe: alles gilt gleich.
Jean de La Bruyère (1, 75), Die Charaktere oder
Die Sitten des Jahrhunderts
Es ist unglaublich, wie empfindsame Seelen einander verstehen, ohne viel zu
reden. Ein entschlüpftes Wort, eine nachdenkliche Miene, eine undeutliche,
zusammenhanglose Bemerkung, ein halbes Bedauern, eine Andeutung, der Tonfall,
der Gang, der Blick, die Aufmerksamkeit, das Schweigen - all dies entdeckt
sie einander.
Denis Diderot (1, 5), Brief an Sophie Volland, 11. Mai
1759
Die Liebe ist das Einssein von zweien; ich höre auf zu sein, um in einem
anderen erst wieder zu werden. Es ist eine Regeneration, es ist ein Aufgehen
in dem Geliebten, dessen ganzes Wesen dafür mein eigen wird, mein eigen
ganz und gar. Ein Mensch allein durchdringt das Geheimnis des Daseins nicht;
aber zwei vereint zu einer Liebe, die durchdringen es. Die wirbeln sich empor
mit der Lerche, im Frühlicht der Sonne entgegen, die lauschen dem schweigenden
Pulsschlag der Erde in träumerischer Nacht, die beherrschen mit mächtigem
Zauberstab die ganze Skala der Gefühle, daß alle Akkorde des menschlichen
Daseins sich vor ihrem Willen zusammenfügen zu der wahren Sphärenharmonie,
deren ewiger Text das eine Wort ist, Liebe!
Fanny Lewald (1, I.2), Diogena
Da ich Dich liebe und ich liebe Dich also [...] so wie das Meer einen winzigen
Kieselstein auf seinem Grunde lieb hat, genau so überschwemmt Dich mein
Liebhaben - und bei Dir sei ich wieder der Kieselstein, wenn es die Himmel
zulassen) liebe ich die ganze Welt und dazu gehört auch Deine linke Schulter,
nein es war zuerst die rechte und darum küsse ich sie, wenn es mir gefällt
(und Du so lieb bist die Bluse dort wegzuziehn) und dazu gehört auch
die linke Schulter und Dein Gesicht über mir im Wald und Dein Gesicht
unter mir im Wald und das Ruhn an Deiner fast entblößten Brust.
Franz Kafka (2), Brief an Milena Jesenská, 9. August
1920
[...] ich, der Einzelne, an dem sich das Füllhorn überschwenglicher
Wonne erschöpft zu haben scheint, bin doch der kleinste Teil nur in einer
ganzen unendlichen Schöpfung, auf welche sich Ströme der Liebe stürzen.
Es flutet eine Welt voll Seligkeit in mir auf und nieder; sie ist ein Tropfen,
der im All verschwindet, und doch so mächtig fühl ich mich in ihr,
daß ich
mir nichts gleich mehr glaube von allem, was außer
mir und außer uns beiden lebt; ja wenn der Lobgesang aus tausend glücklichen
Kehlen sich in einem breiten Strome himmelan schwänge, - ich könnte
zweifeln, ob er der Empfindung meines einzelnen Glücks gleichkäme,
und doch fühlte von den Tausenden ein jeder vielleicht dasselbe, was
ich und was Du.
Eduard Mörike (1, 56f), Brief an Luise Rau, 18. Februar
1830
Erden werden zu Eis erstarren
und ineinander stürzen,
Sonnen die eigene Brut verschlingen,
tausend Geschlechter und aber tausend
werden in Staub und Asche fallen:
aber von Ewigkeit zu Ewigkeit
bricht aus unzähliger Lebenden Brüsten
dreimal heilig und hehr das hohe Lied,
dreimal heilig des Lebens Preisgesang:
Auf allen Sternen ist Liebe!
Christian Morgenstern (3), In Phanta's Schloß. Das Hohelied
Aber wie süß war es, zu lieben, einmal die wirkliche Liebe des
Lebens zu lieben! Denn was er bis jetzt für Liebe gehalten hatte, war
ja keine Liebe gewesen, weder das schwer wogende Sehnen des Vereinsamten,
noch das brennende Entbehren des Phantasten oder die ahnungsvolle Nervosität
des Kindes; das waren Ströme in dem großen Ozean der Liebe, einzelne
Reflexe ihres vollen Lichtes, Splitter der Liebe, gleichwie die Meteore, die
die Luft durchsausen, Splitter eines Weltenkörpers sind, dies war die
Liebe: eine Welt, die ganz war, etwas Vollendetes, Großes, Geordnetes.
Es war keine verwilderte, zwecklose Jagd von Gefühlen und Stimmungen,
die Liebe war wie eine Natur, ewig wechselnd, ewig erzeugend, und es erstarb
keine Stimmung, es welkte kein Gefühl, ohne einem Keim, der die Anlagen
zu etwas Vollkommenerem enthielt, neues Leben zu geben. Ruhig, gesund, mit
tiefen Atemzügen, so war es herrlich zu lieben. Und die Tage fielen jetzt
neu und glänzend vom Himmel selber herab, sie kamen nicht schleppend,
selbstverständlich hintereinander wie die abgegriffenen Bilder in einem
Guckkasten, jeder von ihnen war eine Offenbarung, denn an einem jeden fand
er sich größer und stärker und gehobener. Noch nie hatte er
eine solche Innigkeit, eine solche Macht des Gefühls gekannt, und es
gab Augenblicke, in denen er sich selber titanenhaft deuchte, in weit höherem
Maße, als er sich Mensch fühlte, eine solche Unerschöpflichkeit
empfand er in seinem Innern, eine flügelbreite Zärtlichkeit entströmte
seinem Herzen, so weit war sein Blick, so großartig mild sein Urteil.
Jens Peter Jacobsen (1, 246f), Niels Lyhne
Es gibt nur Dich, mein alter Löwe, dessen Feueratem und dessen gierige
Klauen meine Lebensgeister wiedererwecken können, und Dein Schnauben
auf meinem Kopfkissen ist süßer als der Gesang der Nachtigall.
Komm, komm, denn nur an meiner Seite kannst du leben und wieder jung werden,
auch Du. Komm, mein Ein und Alles, vergessen wir die Welt und seien wir glücklich.
Komm, komm, komm, komm, komm - wie im letzten Brief - zehnmal auf einer Seite.
George Sand (1, 141 f), Brief an Michel de Bourges, 8.
Mai 1837
Wenn nur eine erste Liebe recht glühend da war: so schadet ihr Untergang,
ihr Töten mit Wasser nichts; ewig ragen die Türme der überfluteten
Stadt empor.
Jean Paul (4.), Aphorismen
Denn die Liebe ist wie ein Baum: sie treibt von selbst, schlägt ihre
Wurzeln tief in unser ganzes Wesen, und grünt noch oft auf einem gebrochenen
Herzen weiter.
Victor Hugo (1, Bd. 2: 168), Der Glöckner von Notre
Dame
Du bist und bleibst nun einmal das Einzige, Liebste und Beste, was mich an
diese Menschenwelt fesselt, und hätte ich Dich nicht, so würde ich
auf einmal der tragischen Komödie dieses traurigen Lebens ein jähes
Ende bereiten und der trügerischen Erdensonne den Rücken zuwenden.
Ach liebster Schatz, nur in Dir und mit Dir und durch Dich kann ich noch hoffen
glücklich zu werden; so allein für mich komme ich mir so dürr,
hohl und nüchtern vor, daß mir vor mir selbst graut und ich meinem
eigenen Schatten entfliehen möchte.
Ernst Haeckel (1), Brief an Anna Sethe, 26. Juni 1860
Unsere Liebe ist einmal gewissermaßen eine unglückliche, und wir
wollen unverdrossen und mutig die stille heimliche Tragödie, in der niemand
spielt und zuschaut als unsere blutenden Herzen, bis an unser Ende fortführen.
[...] Ich habe Augenblicke, in welchen ich vergehen möchte vor Schmerz
über unser Los; aber ich habe auch andere, wo mir unser Unglück
teuer ist, weil ich mir denke, Du würdest mich vielleicht weniger lieben,
wenn Dein Gefühl nicht unter Gefahren und Schmerzen aufgewachsen wäre.
Vielleicht müssen zwei Herzen erst aufgeschnitten werden, wenn sie ganz
zusammenwachsen sollen? Wir haben unsere blutenden Stellen aneinandergelegt
und müssen so festhalten, wenn wir uns nicht verbluten wollen. O ich
will Dich halten. Du wirst mich auch halten, ich weiß es.
Nikolaus Lenau (1, 57), Brief an Sophie von Löwenthal:
14. Juni 1837
Ich liebe Dich, Felice, mit allem, was an mir menschlich gut ist, mit allem,
was an mir wert ist, daß ich mich unter den Lebendigen herumtreibe.
Ist es wenig, so bin ich wenig. Ich liebe Dich ganz genau so wie Du bist,
das was mir an Dir gut scheint, wie das, was mir nicht gut scheint, alles,
alles. So ist es bei Dir nicht [...]. Du bist mit mir nicht zufrieden, Du
hast an mir verschiedenes auszusetzen, willst mich anders haben, als ich bin.
Ich soll
>>mehr in der Wirklichkeit
<<
leben, soll mich
>>nach dem, was gegeben ist,
richten
<< u.s.f. Merkst Du denn nicht, daß
Du, wenn Du solches aus wirklichem Bedürfnis willst, nicht mehr mich
willst, sondern an mir vorüber willst? Warum Menschen ändern wollen,
Felice? Das ist nicht recht. Menschen muß man nehmen, wie sie sind oder
lassen, wie sie sind. Ändern kann man sie nicht, höchstens in ihrem
Wesen stören.
Franz Kafka (3, 209), Brief an Felice Bauer, 2. Januar
1914
Mit Freuden, mit innigem Wonnegefühl werde ich so manch unendlich glücklicher
Zeit gedenken wo wir ungetrübt uns selbst lebten. Das bittere was unsere
beyderseitige Individualität hinein webte, hat mich gelehrt, daß
ich nie das Glück eines fühlenden Wesens machen kann, daß
der nur zu beklagen ist den ich mit Liebe umfaße, und daß das
Schiksal mit ernstem eisernen Finger mich ganz in mich selbst verweist. und
jene Allgewalt des Gefühls nur bestimmt ist, auf dem Opfer Altar der
Welt für andere geopfert zu werden, und wie die Fakkel leuchtend sich
selbst zu verzehren.
Carl Maria von Weber (1, 204), Brief an Caroline Brandt:
München, 29. August 1815
Mit Ihnen fühle ich, liebe ich, höre ich, sehe ich, liebkose ich;
ich habe eine Daseinsform, die ich jeder anderen vorziehe. Sobald Sie mich
in Ihre Arme nehmen, genieße ich ein Glück, das durch nichts übertroffen
werden kann. Vor vier Jahren erschienen Sie mir schön, heute finde ich
Sie noch schöner. Das ist der Zauber der Beständigkeit, der schwierigsten
und seltensten unserer Tugenden.
Denis Diderot (1, 46), Brief an Sophie Volland, 14. Oktober
1759
Die Liebe ist eine köstliche Blume, aber man muß den Mut haben,
sie vom Rande eines schauerlichen Abgrundes zu pflücken. Neben Lächerlichkeit
droht der Liebe stets die verzweifelte Aussicht, von dem geliebten Wesen verstoßen
zu werden, und dann bleibt für den Rest des Lebens nur mehr eine
unausfüllbare
Lücke.
Stendhal (1, 150), Über die Liebe
Wenn uns ein Gegenstand der Liebe aus diesem Leben entrückt ist, so empfindet
das Herz oft eine unermeßliche Vereinsamung.Trostgründe sind da
unrecht angebracht, sie füllen die Leere nicht aus; aber Liebe, die uns
entgegenkommt, verhüllt doch wenigstens den Abgrund.
Adalbert Stifter, Brief an Louise von Eichendorff, 28.
Dezember 1858
So ist die Liebe der wahre ontologische Beweis vom Dasein eines Gegenstandes
außer unserem Kopfe - und es gibt keinen anderen Beweis vom Sein als
die Liebe, die Empfindung überhaupt. Das, dessen Sein Dir Freude, dessen
Nichtsein Dir Schmerz bereitet, das nur ist.
Ludwig Feuerbach (1, 147), Grundsätze der Philosophie
der Zukunft
Aber jedes Glücksschloß, das sich erhebt, hat in dem Grunde, auf
dem es ruht, Sand, und der Sand sammelt sich und rinnt unter den Mauern fort,
langsam vielleicht, unmerklich, aber er rinnt und rinnt, Korn auf Korn. Und
die Liebe? Auch sie ist kein Fels, wie gern wir es auch glauben möchten.
Jens Peter Jacobsen (1, 209), Niels Lyhne
Die Liebe hat viele Mysterien, und dies erste Verliebtsein ist auch ein Mysterium,
wenn es auch nicht das größte ist - die meisten Menschen sind in
ihrer Leidenschaft wie wahnsinnig, sie verloben sich oder machen andre dumme
Streiche, und in einem Augenblick ist alles zu Ende, und sie wissen weder,
was sie erobert, noch was sie verloren haben.
Søren Kierkegaard (1, 263), Das Tagebuch des Verführers
Man verliebt sich oft nur in einen Zustand des anderen, in seine Heiterkeit
oder in seine Schwermut. Schwindet dieser Zustand dann, so ist damit auch
der feine besondere Reiz jenes Menschen geschwunden. Daher die vielen Enttäuschungen.
Christian Morgenstern (1, 94), Sprüche, Epigramme,
Aphorismen, Notizen
Der Geist spielt eine große Rolle in der Liebe. [...] Tausend hübsche
Frauen sind da, die uns gleichgültig lassen. Der Wunsch, alles von einer
Person zu haben, die uns reizt; eine gewisse Neugier, ein mächtiges Moment
der Liebe, die Illusion, vielleicht tiefer in die Seele, den Geist einzudringen,
alle diese Empfindungen vereinigen sich zu einer einzigen. Und wer sagt uns
denn, daß uns in dem Augenblick, wo unsere Augen nur ein reizlos äußeres
Objekt zu sehen glauben, nicht ohne unser Wissen ein sympathischer Zauber
fesselt? Der Ausdruck der Augen genügt, um zu bezaubern.
Eugène Delacroix (1, 164), Tagebuch: 1855
Die lange Liebe ist deshalb möglich - auch wenn sie glücklich ist
- weil ein Mensch nicht leicht zu Ende zu besitzen, zu Ende zu erobern ist
- es thun sich immer neue, noch unentdeckte Gründe und Hinterräume
der Seele auf, und auch nach diesen streckt sich die unendliche Habsucht der
Liebe aus. - Aber die Liebe endet, sobald wir das Wesen als begrenzt empfinden.
Friedrich Nietzsche (10, 12[194]), Nachlass: Fragmente
Herbst 1881
O weh, ich bin schon ein alter junger Mann, meine Liebe ist keine Sonne und
macht keinen Frühling, weder für mich noch für den Vogel, den
ich liebe! Lika, nicht Dich liebe ich so heiß. Ich liebe in Dir die
vergangenen Leiden und meine entschwundene Jugend.
Anton Tschechow (1, 250), Brief an Lidija S. Misinowa:
27. März 1892
Auch ist es vielleicht nicht eigentlich Liebe wenn ich sage, daß Du
mir das Liebste bist; Liebe ist, daß Du mir das Messer bist, mit dem
ich in mir wühle.
Franz Kafka (2), Brief an Milena Jesenská, 14. September
1920
Liebe ist nichts als die Angst des sterblichen Menschen vor dem Alleinsein.
Theordor Storm (2, 35), Im Schloß
Kein Gespenst überfällt uns in vielfältigeren Verkleidungen
als die Einsamkeit, und eine ihrer undurchschaubarsten Masken heißt
Liebe.
Arthur Schnitzler (1, 64), Aphorismen und Betrachtungen
Wenn man verliebt ist, beginnt man damit, sich selbst zu täuschen, und
endet damit, andere zu täuschen. Das nennt die Welt Romantik.
Oscar Wilde (1, 9), Aphorismen
Man sollte alle [...] aufhängen, die [...] die achtbarste und heiligste
Sache der Schöpfung herabwürdigen, das göttliche Geheimnis,
den Schöpfungsakt und zugleich die erhabenste Lebensäußerung
im Universum. Der Magnet zieht Eisen an, die Tiere hängen aneinander,
getrieben von der Verschiedenheit der Geschlechter. Die Pflanzen sind der
Liebe gehorsam, und der Mensch, dem allein es auf dieser Erde von Gott verliehen
wurde, mit Entzücken zu fühlen, was die Pflanzen und Metalle nur
stofflich empfinden können, - der Mensch, bei dem sich die elektrisierende
Anziehungskraft in eine Anziehung gefühlsmäßiger Art verwandelt,
[...] der Mensch allein betrachtet dieses Wunder [...] wie eine armselige
Notwendigkeit, und er spricht mit Verachtung, Ironie und Haß darüber.
Das ist wirklich sonderbar.
George Sand (1, 151), Brief an Albert Grzymala, Ende Mai
1838
Leider ist in der Liebe nie genau zu ermitteln, wo sie anfängt, mit der
Hölle oder mit dem Himmel die größte Ähnlichkeit zu bieten,
so wie man auch nicht weiß, ob nicht die Engel, die uns darin begegnen,
etwa verkappte Teufel sind, oder ob die Teufel dort nicht manchmal verkappte
Engel sein mögen.
Heinrich Heine (1), Memoiren
Den Ort, an dem man wohnt, pflegt man sorgsam zu hüten: du aber, holde
Schöne, wohnst in meinem Herzen und steckst es immer wieder in Brand:
grausam nenn ich das und arg!
Indische Spruchweisheit (Pancatantra-Fabelsammlung)
Ich weiß, wie köstlich der Liebestrank ist, dieses: ich lebe für
dich, du lebst für mich; aber es ist die Anhänglichkeit eines Kindes
für sein Spielzeug, ein Versuch, Kamin und Brautgemach zu verewigen,
an dem Bilderalphabet festzuhalten, das unseren ersten Leseunterricht angenehm
begleitete.
Ralph Waldo Emerson, Swedenborg; or, the mystic
Nein, zwischen zwei Seelen, die sich einander die Arme öffnen, liegt
gar zu viel, so viele Jahre, so viele Menschen, zuweilen ein Sarg und allezeit
zwei Körper. Hinter Nebeln erscheinen wir einander - rufen einander beim
Namen - und eh' wir uns finden, sind wir begraben. Und wenn man sich findet,
ists denn der Mühe, des Namens der Liebe wert, die paar glühenden
Worte, unsre kurzen Umarmungen?
Jean Paul (1, 6.), Biographische Belustigungen
Wozu sind die Millionen Menschen auf dieser Erde, da so wenige nur einen finden,
der sie liebt! - Ach, sie kömmt mir wüst und entvölkert vor,
sie ist nur eine große Masse, voller stummen Leichen, die in und auf
ihr sind. Sind sich alle die Armseligen selber genug? Haben Sie kein Bedürfnis
nach Liebe und Mitempfindung? Sie sterben alle, ohne gelebt zu haben, sie
sind Leichen, die sich bewegen, und denn auch diese Fähigkeit an die
Natur abgeben und sich hinlegen und verwesen.
Ludwig Tieck (1, 545f), William Lovell
Was hat das, was unsereiner in die Welt bringt, mit Liebe zu tun? Es mag allerlei
Lustiges, Verlogenes, Zärtliches, Gemeines, Leidenschaftliches sein,
das sich als Liebe ausgibt - aber Liebe ist es doch nicht ... Haben wir jemals
ein Opfer gebracht, von dem nicht unsere Sinnlichkeit oder unsere Eitelkeit
ihren Vorteil gehabt hätte?...Haben wir je gezögert, anständige
Menschen zu betrügen oder zu belügen, wenn wir dadurch um eine Stunde
des Glücks oder der Lust reicher werden konnten? [...] Und glauben Sie,
daß wir von einem Menschen - Mann oder Weib - irgend etwas zurückfordern
dürften, was wir ihm geschenkt hatten? Ich meine keine Perlenschnur und
keine Rente und keine wohlfeile Weisheit, sondern ein Stück von unserm
Wesen - eine Stunde unseres Daseins, das wir wirklich an sie verloren hätten,
ohne uns gleich dafür bezahlt zu machen, mit welcher Münze immer.
Mein lieber Julian, wir haben die Türen offen stehen und unsere Schätze
sehen lassen - aber Verschwender sind wir nicht gewesen.
Arthur Schnitzler (2, 81f), Der einsame Weg: 4. Akt, 8.
Szene (Sala)
Und so spiegelt jedes Gefühl und jede Liebe uns eine erlogne Ewigkeit
vor: ein Scherz, ein Schlaf, eine verlorne Unze Blut, ach! eine Stunde erwürgt
die Liebe. So steht überall und überall, wo eine Menschenbrust an
der andern liegt, die Zeit und schiebt sie auseinander wie Marmorplatten,
weil sie sie nicht auseinanderreißen kann.
Jean Paul (1, 6.), Biographische Belustigungen
Mir kam heute in den Sinn, daß die selbstloseste Liebe am Ende nur der
größte Egoismus ist und daß die größte Demut und
Sanftmut im Grunde nichts anderes ist als entsetzlicher Stolz und versteckte
Heftigkeit.
Alexander Herzen (1, 256), Memoiren und Reflexionen
O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum uns am Angesicht
zehrt -, wem bliebe sie nicht, die ersehnte, sanft enttäuschende, welche
dem einzelnen Herzen mühsam bevorsteht. Ist sie den Liebenden leichter?
Ach, sie verdecken sich nur mit einander ihr Los.
Rainer Maria Rilke (1, 1.), Duineser Elegien
Denn Liebesgenuß hat noch nie genutzt, man darf zufrieden sein, wenn
er nicht schadete.
Epikur (1, 91), Briefe
Haß muß produktiv machen. Sonst ist es gleich gescheiter, zu lieben.
Karl Kraus (1, 285)
Liebe ist nur ein Tripper des Geistes, eine Art Ausfluß der Phantasie;
wenn ihr nicht rechtzeitig Einhalt geboten wird, bricht sie nach außen
durch in Schwären von heroischen Versen; denn alle Verliebten sind vorübergehend
Dichter und machen aus ihren Damen eine Art Mosaik verschiedenfarbiger Steine,
zusammengefügt durch eine starke Phantasie, aber sehr steif und unnatürlich;
und obwohl sie die Sterne vom Himmel stehlen wie Prometheus das Feuer, um
sie zu beseelen, wird all das sie nicht lebendig machen noch die Lebendigen
liebend.
Samuel Butler (2, 88), Von Schwätzern, Schwärmern
und Halunken